Mittwoch, Januar 31, 2018

Potti in Vegas am & im Limit (Teil 2)

Teil 1: siehe weiter unten

...am darauffolgenden Tag durfte ich Klaus zum allerersten Mal zu einer Highroller-Partie im Mirage Casino begleiten! Ich durfte hinter ihm sitzen und ihm die ganze Session über in die Karten schauen. Ich bemerkte schnell, dass das Pokerspiel, was ich bis zu diesem Zeitpunkt in den Micro-Limits im El Cortez, im Fremont Casino oder im Binions Downtown betrieb, nichts mit dem Spiel zu tun hatte, was ich in jener 75/150$ Limit-Holdem Partie zu sehen bekam…und ich lernte schnell…ein neuer Lebensabschnitt sollte beginnen!

Klaus erhöhte mit Karten, speziell in den hinteren Positionen nähe des Buttons, mit denen ich nicht ansatzweise daran gedacht hätte auch nur einen einzelnen Chip über die Linie zu setzen und wie ich es vor allen Dingen auch nicht in den Büchern gelesen und gelernt hatte. In den vorderen Positionen hingegen schmiß er Hände weg, mit denen ich bislang immer dabei war und mit denen ich zumindest sehen wollte, was der Flop bringt.
Der allergrößte Unterschied in diesem Highroller-Spiel jedoch war, dass die Chips einfach sehr tief und wahnsinnig schnell flogen. Es wurde geraised und gereraised, als gäbe es kein Morgen mehr. Spekulative Hände wie Flush- oder Straight Draws wurden am Flop so gespielt, als wenn der Flush bzw. die Straße bereits fertig war. Eine solche Aggression kannte ich bislang nicht und hatte ich auch nie für möglich gehalten.

Ich schaute bei diesen hohen Partien so oft und intensiv zu wie ich nur konnte und versuchte wirklich alles aufzusaugen. Jedes einzelne Detail. Ich studierte nicht nur das Spielverhalten von Klaus, sondern ich beobachtete auch die Moves seiner Gegner. Mit welchen Händen die Profis in welchen Positionen spielten und vor allen Dingen auch wie sie diese Hände spielten. Wie die Jungs es schafften, mit geschickten Check-Raises in Multi-Way Pots möglichst viele Chips in den Pot zu kriegen. Oder eben auch das nur das Minimum mir der zweitbesten Hand verloren. Selbst die Art und Weise sowie der Geschwindigkeit, mit denen sie Maschinengewehr-Like ihre Chips bei Raises in gleich hohen Stapeln in die Mitte bekamen, machte gewaltigen Eindruck auf mich und ich versuchte dies zu adaptieren.

Mit einer Sache, die ich dort bemerkte, kam ich jedoch gar nicht klar und wollte ich auch irgendwie nicht klarkommen. Die Spieler, nachdem sie gerade einen Pot mit 1.200$ oder noch mehr gewonnen hatten, gaben nicht einmal 1 einzelnen Dollar oder zumindest 50 Cent an den Dealer! Selbst in den kleinen Baby-Limits, in denen ich bis dato aktiv war, war das Trinkgeld höher als hier bei den Riesenpötten, wo es von grünen 25$ Chips nur so wimmelte.
Das sah ich nicht ein und blieb bei meiner Trinkgeldhöhe von mindestens 50 Cent bei gewonnenen Pötten bis 20$. Zwischen 20$ und 50$ gab ich 1$ Trinkgeld und wenn sie noch größer waren, dann schob ich auch mal 2$ rüber. Genau das sollte später nochmals zu heftigen Diskussionen und fast zu einem Streit im Klaus führen.  

Die Dealer machten einen ausgezeichneten Job und mussten sich von
etlichen Spielern auch eine Menge gefallen lassen
  

Es war, als wäre ich quasi über Nacht von einem mittelmäßigen Bezirksligaspieler zu einem soliden Regionalligaspieler gereift. Und um es vorweg zu nehmen…es sollte später noch 1-2 Ligen höher gehen! All das, was ich hier bei den Highrollern sah, integrierte ich in mein Spiel und es funktionierte bestens! Aufgrund der Aggressivität bei Draws, die eben häufig nicht ankommen, gewann ich nun Pötte am Turn oder River, die ich vorher niemals gewonnen hätte. Eben weil die Leute auch mal ihre Hand weglegten, wenn ich die geplatzten Draws durchfeuerte. Zudem sparte ich Geld in den Blinds und in den vorderen Positionen, weil ich mit bestimmten Problemhänden erst gar in Versuchung kam. Und ich war zudem auch in der Lage Hände zu passen, wenn es eben sehr offenkundig war, dass ich nur die zweitbeste Hand hielt. Früher musste ich mich mit dem Bezahlen am River zumindest immer noch davon vergewissern. All das machte sich sehr schnell auch im Geldbeutel bemerkbar und ich strich Gewinne in meinen Sessions ein, die so hoch waren wie nie zuvor. Ich spielte ein paar Monate fast ausschließlich im 3/6$ Limit im Mirage und gewann ca. 80-85% meiner Sessions. Über jede einzelne Session wurde Buch geführt (Dauer der Session & Nettogewinn) und nach 3 Monaten kam ich auf eine Gewinnerwartung von ca. 12$ pro Stunde. Das hieß…je mehr und länger ich spielte, desto höher wurde mein Gewinn. Und ich ballerte richtig Zeit rein! Jeden Tag im Schnitt so um die 8-10 Stunden.  

Klaus setzte sich hin und wieder noch hinter mich und kontrollierte mein Spiel. Er war mit dem, was er sah, überaus zufrieden und lobte mich...war glaube ich sogar stolz auf mich. Hier und da gab er mir noch weitere kleine Tipps. Aber speziell mit meiner Handauswahl vor dem Flop und der Art und Weise, wie ich die Hände spielte, war er zu 100% einverstanden. Meine Bankroll wuchs und wuchs. Nach bereits einigen Monaten hatte ich so viel Geld zusammen, dass ich selbst eine Pechsträhne bzw. etliche Verlustsitzungen in Serie locker hätte kompensieren können. Glücksgefühle stellten sich bei mir ein. Ich war dem Ziel, meinen Lebensunterhalt in Las Vegas mit dem Pokerspiel zu bestreiten, sehr viel näher gekommen. Vielleicht war ich sogar bereits angekommen. Es war nun so langsam an der Zeit das nächsthöhere Limit in Angriff zu nehmen.

Im Mirage wäre dies das 6/12$ gewesen. Eine Verdoppelung der Einsätze aber traute ich mir noch nicht zu, zumal die Gegner an diesen Tischen auch wesentlich stärker waren. Das 4/8$ Spiel Downtown in Binions Horseshoe schien mir passend, auch wenn ich mir bewusst war, dass dort wesentlich mehr lokale Spieler und somit auch mehr Profis an den Tischen zugegen waren. Die Touristen zockten nun mal hauptsächlich am Strip in den großen Casinos. Der Aufwand nach Downtown zu kommen, war ebenfalls ungleich höher, denn die Busfahrt dauerte ca. eine halbe Stunde. Aber dennoch schien mir dieser Weg der Richtige zu sein. So fuhr ich die kommenden Wochen die 6-7 KM täglich am frühen Abend mit dem Bus Richtung Downtown und nachts wieder zurück.

Oben links in der Ecke der Polo Club. Nach Downtown LV war es ein Stückchen

Von der ersten Session an merkte ich, dass ich mich im 4/8$ Limit wohl fühlte. Mit meiner Spielweise kam ich auch hier im Horseshoe, wo vor langer Zeit Las Vegas entstand und wo schon legendäre Pokerduelle ausgetragen wurden, gegen die Konkurrenz prima zurecht. Die Pötte wurden mit 40-50$ im Schnitt jetzt wesentlich fetter und die Swings somit ebenfalls größer. Gewinne von 200-300$ pro Session, aber eben auch Verluste in ähnlicher Höhe waren nun an der Tagesordnung. 

Wenn ich “zur Arbeit“ ging, nahm ich grundsätzlich immer nur 300$ mit. Wenn ich dieses Geld verloren hatte, so dachte ich mir, dann würde es meist auch sehr schwer sein eine Wende hinzukriegen. Denn die Gegner waren dann in diesem Moment durchschnittlich ja gut im Plus und spielten dann eher solide und geduldiger – einfach besser -  während ich mich dann auch manchmal dabei ertappte, dem Geld ein wenig hinterher zu laufen und auch mal schlechte Calls einzustreuen. Wenn also 300$ weg waren, dann schloß ich den Tag ab, strich den Verlust zähneknirschend ein und ging heim.

Hinsichtlich der potentiellen Tagesgewinne erstellte ich mir ebenfalls eine eigene Strategie, mit der ich ausgezeichnet fuhr. Grundsätzlich spielte ich erst einmal solange, wie ich mich a) gut und frisch fühlte sowie b) der Tisch mir zusagte, sprich nicht zu viele starke Spieler daran saßen. 1-2 Touristen bzw. schwächere Gegner sollten schon immer mindestens dabei sein.
Zudem setzte ich mir im Vorfeld jeder Session einen Zielgewinn. Dieser lag bei 30 Big Bets, was im 4/8$ Limit also 240$ Gewinn machte. Sobald ich dieses Ziel erreichte, ich aber noch nicht müde war und auch der Tisch noch gut war, spielte ich zwar weiter, aber ich setzte mir eine 30% Stop-Loss Regel. Bedeutet, dass ich aufhörte, wenn ich 30% meines Gewinns wieder zurückgab. Im obigen Beispiel hätte ich also aufgehört, wenn ich von den 240$ Gewinn 72$ zurückverloren hätte. Die Stop-Loss Regel zog ich nach oben hin natürlich immer an, so dass bei richtig gutem Lauf nach oben hin keine Grenzen gesetzt waren. Tagesgewinne von selbst 600/700$ kamen somit ebenfalls ab und an vor.

Bis heute kann ich die Denkweise der sogenannten “Hit & Run“ Spieler nicht nachvollziehen. Diese “Hit & Run“ Spieler, die es nicht nur damals in Las Vegas reichlich gab, sondern die ich auch heute beim Poker oder in den Casinos beim Roulette oder Black Jack regelmäßig sehe. Sie gewinnen 1-2 Pötte beim Poker und hören dann sofort auf. Es reicht ihnen. Oder die Leute spielen Roulette, treffen ihre Zahl und hören direkt auf! Woher um Himmels Willen wollen die Menschen denn wissen, ob es nicht “ihre Nacht“ werden würde und der Glücksgott nicht noch viel länger und intensiver auf ihrer Seite steht? Ich kann diese von mir angewendete Strategie daher wirklich jedem wärmstens empfehlen! Nicht nur am Pokertisch, sondern auch in anderen Lebenssituationen…z.B. beim Spekulieren mit Aktien. Ich war dann später sogar so verpeilt, dass ich diese 30% Stop-Loss Regel auch auf meine Beziehungen angewendet habe 😎 Das würde ich jedoch keinem anraten, denn 30% Rückschritt nach der ersten Verliebt-sein-Phase werden oftmals recht schnell erreicht und ein Leben als Single kann manchmal auch sehr trist sein!

Beim No-Limit Holdem, was heutzutage weitaus populärer ist, ist die Strategie natürlich nicht ganz so einfach anzuwenden, da man in einem einzelnen Pott theoretisch alles verlieren kann, was man in etlichen Stunden vorher mühsam gewonnen hat…sofern eben ein Gegner am Tisch sitzt, der noch mehr Chips hat als man selbst und man gegen ihn in einen Riesenpott verwickelt wird.

Auf jeden Fall lief es weiterhin sehr rund für mich. Die Quote meiner Gewinnsessions sank zwar ein wenig auf 75% und auch meine stündliche Erwartung sank auf 1,5 Big Bets pro Stunde (also immer noch 12$ wie im tieferen Limit). Aber ich schlug das nächsthöhere Limit und das war für mich persönlich wichtig. Weil es an den Wochenenden im Mirage nur so von ahnungslosen und finanzstarken Touristen wimmelte, spielte ich dann bald vom Freitag bis Sonntag 6/12$ im Mirage…und unterhalb der Woche weiter Downtown 4/8$.

Ich hatte mich mittlerweile zu einem fertigen und sehr gefährlichen Spieler entpuppt, der zumindest in den kleinen und mittleren Limits keinen Gegner und keinen Tisch in Las Vegas fürchten mußte. Auch mit ein wenig Stolz erzähle ich hier gern, dass es Phasen gab, wo im Binions manche einheimische Spieler direkt aufstanden, wenn ich mich neu an den Tisch gesellte! Und zwar nicht deshalb, weil ich gestunken habe oder unfreundlich war, sondern weil sie genau wußten, dass ab meinem Erscheinen am Tisch nicht mehr gut Kirschen essen war und das Spiel ungleich schwerer wurde. Downtown gaben sie mir dann irgendwann den Spitznamen “DesertFox“. In Erinnerung an eine nicht so glorreiche Zeit der Deutschen Geschichte, als sich ein gewisser Feldmarschall Rommel den Spitznamen “Wüstenfuchs“ für seine tragischen Erfolge in den Wüstenregionen Nordafrikas erwarb. Nun nannten sie mich so! Allerdings war es wirklich nie böse gemeint, sondern immer eher humorvoll und sicherlich immer auch mit ein wenig Neid und Furcht behaftet. Hoffe ich jedenfalls!

20 Jahre später alles etwas gelassener und mit Massagegirl.
Früher 10 Stunden hochkonzentriert und knallhart!
Gegenüber meinen Anfängen, als ich die Basis-Strategien für ein erfolgreiches Abschneiden von Klaus gelehrt bekam, hatte ich mein Spiel peu á peu noch um einige Nuancen verändert. Das Angreifen der Blinds mit Gurkenhänden wie A4o oder 75s vom High-Jack oder Cut-Off, ja selbst vom Button, strich ich von meiner Liste. Es wäre zwar in den jeweiligen Momenten vermutlich effektiv gewesen, aber ich wollte mein Image am Tisch einfach nicht zerstören und dachte langfristig. Ich wollte nicht, dass ich eine schwache Hand beim Showdown zeigen musste. Denn dadurch hielt ich das Bild, das die anderen von mir hatten, aufrecht und gewann sehr viele Pötte, die mir nicht zustanden. Die Leute dachten, das es der “DesertFox“ wirklich immer hat, wenn er in einen Pott involviert war und Interesse bekundete. Wie häufig hörte ich am anderen Endes des Tisches die Leute zu ihren Nachbarn ganz leise Sätze murmeln wie “This kid is so damn lucky“ oder “He always has it…he never bluffs“, nachdem ich wieder mal einen Pott mit kompletter Luft einstrich. Genauso musste es sein! Es gab mir die Chance wirklich sehr viele Pötte zu klauen… 2 von 5 waren einfach nur gut getimte und nicht enttarnte Bluffs.

Wurde ich ausnahmsweise mal erwischt, dann spielte ich es in den nächsten 2-3 Stunden wieder konservativer, bluffte weniger bzw. gar nicht um das solide Image wieder aufzubauen. Andersrum, wenn ich die Boards sehr gut traf und bemerkte, dass die Leute gar nicht mehr mitgingen und ich meine Value-Hände schlecht bis gar nicht ausgezahlt bekam, bluffte ich wieder etwas mehr und solange, bis ich zumindest einmal erwischt wurde. Das reichte dann für die nächsten 5-6 Stunden um die Action wieder anzuheizen und die Gegner im Unsicheren zu lassen. Ich saß in einem PS-starken Auto und wechselte die Gänge wie ich wollte...und es funktionierte!

Hört sich alles sehr gut und nach einem Traumleben an, nicht wahr? War es auch. Wenn, ja wenn nicht zwischendurch ein gewisser Mr. DOWNSWING vorbeikam und Hallo sagte…

To be coninued

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für die Gesichten aus Las Vegas!! Ich finde die Berichte sehr sehr interessant und freu mich jedes mal, wenn wieder eine Geschichte Online geht!!

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Darf ich dich was fragen?

▪  Hi Potti, wie geht es dir? ▪  Hallo Herr Pott, Sie kennen sich doch in der Pokerszene ganz gut aus. ▪ Potti, d arf ich dich was fragen? ...