Mittwoch, Oktober 19, 2016

Labyrinth, Sextanerblase und Oscar dela Hoya (Teil 1)

Nach langer Zeit gibt es heute mal wieder eine “Las Vegas-Story“. Und ich darf ergänzen, dass diese Story zu meinen absoluten Lieblingsgeschichten gehört. Ich werde diesen Tag  in meinem Leben definitiv nie vergessen! 

In all den Jahren des “Bloggens“ bin ich übrigens auch hin und wieder auch mal angesprochen worden, ob sich die beschriebenen Ereignisse denn auch wirklich alle so zugetragen haben. Oder ob ich beim Verfassen der Storys nicht doch mal ein wenig dazu gedichtet hätte oder ob ich die eine oder andere Geschichte vielleicht gar komplett frei erfunden hätte. Also, ich kann euch auf jeden Fall versichern, dass sich alles, was ich hier dokumentiere, zu 100% exakt so zugetragen hat. Wenn man längere Zeit in einer total verrückten Stadt wie in Las Vegas lebt und dazu selbst auch leicht einen an der Waffel hat, dann erlebt man nun mal so einiges...lol

Wobei ich ehrlich gestehen muss, dass die heutige Story wirklich ein wenig unglaubwürdig und fiktiv erscheint. Und vermutlich würde ich selbst auch zweifeln, wenn ich sie irgendwo anders lesen würde. Aber der Abend des 13. September 1997 hat sich in der Tat exakt so abgespielt wie im Nachfolgenden beschrieben. Und ich bin ehrlich gesagt heilfroh, dass ich diesen Abend nicht allein erlebt habe, sondern mit meinem langjährigen Freund “Zander“ sogar einen Zeugen habe. Alexander ist ein erfolgreicher Geschäftsmann aus meiner Heimatstadt Rheda-Wiedenbrück, gleichzeitig übrigens auch Vorstandsmitglied unseres heimatlichen Fußball-Regionalligisten SC Wiedenbrück 2000.

Aber ganz von vorn…Anfang September 1997 flog ich zusammen mit Alexander sowie meinem besten Kumpel Rolo nach Las Vegas. Es war der erste von etlichen gemeinsamen Trips in die USA mit den Jungs. Auch im September 2001 während der Terroranschläge auf NY waren wir übrigens gemeinsam drüben und welche aufregenden Tage wir zu jener Zeit erlebten, darüber werde ich vielleicht in einem separaten Blog berichten. Am Samstag, den 13. September, lagen wir nachmittags am Pool unseres Hotels Binion‘s Horseshoe in Downtown Las Vegas. Der Pool befindet sich übrigens auf dem Dach im 25. Stockwerk! Als ich beim Chillen auf der Sonnenliege die Wochenendausgabe des Review Journals durchblätterte, entdeckte ich auf der letzten Seite eine ganzseitige Annonce zu dem am Abend stattfindenden Box WM-Kampf zwischen Oscar de la Hoya und Hector “Macho“ Camacho. Der Kampf fand im Thomas & Mack Center in Las Vegas statt, einer Halle mit einem Fassungsvermögen von knapp 20.000 Zuschauern. Und unten in der Anzeige stand, dass noch Restkarten an der Abendkasse erhältlich seien! Ich fragte die Jungs, ob das vielleicht was für unsere Abendplanung sein könnte. Während aus der einen Ecke nur ein müdes „Nö, keinen Bock. Ich mache heute einen ruhigen Fernsehabend“ kam (die Meldung kam natürlich von Rolo), zeigte Zander hingegen Interesse. Er teilte mit, dass er noch nie bei einem großen Boxkampf gewesen sei. Wir beschlossen hinzufahren und uns den Kampf anzuschauen!
Oscar "The golden Boy" dela Hoya vs. Hector "Macho" Camacho
Nach dem Duschen machten wir uns ein wenig schick und fuhren relativ früh los. Vor der Halle war noch nicht wirklich viel los, aber das Kassenhäuschen für den Verkauf der Restkarten war bereits geöffnet. Dort allerdings die erste Enttäuschung. Es gab nur noch zwei Kategorien an Tickets. Entweder für 50$ in der obersten Reihe und quasi direkt unterm Hallendach oder alternativ für 800$ in der 12. Reihe und somit recht nah am Ring. Wir schauten uns an und wenn, dann kam sowieso nur das 50$-Ticket in Frage. Denn a) hatte wir keine 1.600$ mit und b) würde ich für den Besuch einer Sportveranstaltung - welcher Art auch immer - nie im Leben 800$ ausgeben.
Ich kannte die Halle von zig Spielen der UNLV Rebels und wusste, dass man vom Oberrang aus ohne Fernglas nicht mal ein Basketball-Spiel vernünftig verfolgen konnte. Das würd bei einem Boxkampf, und dazu noch von der allerobersten Reihe nun mal gar keinen Sinn machen. Von dort kann man mit Glück überhaupt gerade mal den Ring sehen. Wir schauten uns nochmals bedröppelt an und kamen zum gleichen Fazit. Es machte keinen Sinn ein Ticket zu kaufen! Wir beschlossen ein Taxi zu nehmen, zum Las Vegas Strip zu fahren und uns den Kampf in einem der großen Casinos im Sportsbereich auf der Leinwand anzuschauen.

Um zum Taxistand zu gelangen, mussten wir zunächst einmal um die große Halle rum. Auf halbem Wege sahen wir, dass vor einem geöffneten Hallentor ein größerer LKW stand, aus dem etliche Leute Getränkekisten holten und in die Halle schleppten. Zander und ich sahen uns an und zwei Verrückte hatten in diesem Moment den gleichen Gedanken! Wir näherten uns dem LKW, schnappten uns jeweils zwei Getränkekisten und trotteten den hart schleppenden Jungs hinterher. Schnurstracks in die Halle. Während die Karawane aber irgendwann links abbog Richtung Getränkelager, stellten wir unsere Kisten ab und gingen einfach geradeaus weiter.

Nun kamen wir direkt an der Großküche vorbei, in der die hektischen Vorbereitungen für die Veranstaltung bereits auf Hochtouren liefen. Niemand störte sich an uns. Rechts an der Wand hingen Dutzende von Kochschürzen und Kochmützen. Wir überlegten kurz, ob wir den weiteren Weg “als Köche“  beschreiten sollten. Es hätte im Nachhinein betrachtet vermutlich vieles leichter gemacht. Aber wir verzichteten darauf und gingen weiter…landeten nach kurzer Zeit in den verwinkelten Katakomben der Sportstätte. Die Gänge waren sehr eng, es roch stickig und wir hatten keine Ahnung, wohin wir überhaupt gehen mussten um in den Innenraum zu gelangen. Die Gefahr erwischt zu werden war uns bewusst, denn die Amerikaner verstehen bei so etwas keinen Spaß. Wenn man uns hier ohne Eintrittskarten aufgabeln würde, dann könnten wir ein kleines Problem bekommen und es könnte unter Umständen böse Konsequenzen für uns haben. Aber den Gedanken verdrängten wir. Wir wollten den Kampf sehen und mussten jetzt zusehen, dass wir irgendwie den Innenraum der Halle erreichten.

Aber jetzt galt es erst einmal einen Ausweg aus diesem Labyrinth an Gängen zu finden. Nach gut 10 Minuten wurde unsere Angst - hier überhaupt jemals wieder herauszufinden - fast größer als die Sorge ertappt zu werden. Irgendwann aber hörten wir Gott sei Dank Stimmen. Stimmen, denen wir freudig entgegengingen. Wir kamen an eine Tür, die wir öffneten. Und landeten mitten im Presseraum! Es herrschte Trubel & Chaos. Geschätzt 50 Personen saßen vor ihren Laptops und schrieben Kurzartikel zum bevorstehenden Großereignis für ihre jeweiligen Auftraggeber. Oder sprachen in ihre Diktaphone. Puh…hier waren wir erst einmal sicher. Keiner schien uns zu beachten. Dachten wir zumindest! Es dauerte aber keine 30 Sekunden, bis ein Security-Officer schnurstracks auf uns zukam. Nicht verwunderlich, denn Alexander und ich waren die einzigen beiden Personen im Raum, die keine Presseakkreditierung um den Hals baumeln hatten. „What are you guys doing here?“, kam es mit energischer Stimme. Oh Gott, jetzt musste irgendwas Sinnvolles her! „We come from German Television…RTL…to cover the fight”, brachte ich spontan hervor. “And where are you accredidations?”, kam die Gegenfrage. “We forgot them in the car. Our colleague is getting them”, so meine Lüge. “But you can’t be in here without accreditation!” und der Security-Officer machte uns klar, dass wir den Raum auf dem schnellsten und gleichen Wege wieder verlassen sollen, wie wir ihn auch betraten. Er schickte uns wieder zurück ins Labyrinth der unterirdischen Gänge!
Thomas & Mack Center in Las Vegas
Die gute Nachricht war, dass er es Gott sei Dank dabei beließ und uns nicht weiter “checkte“. Die schlechte Nachricht war, dass wir nun ein zweites Mal im Wirrwarr der schmalen Gänge gefangen waren. Jedes Spiegelkabinett auf einem Jahrmarkt ist ein Klacks gegen dieses Labyrinth an Gängen! Nachdem wir weitere 10 Minuten planlos kreuz und quer umherirrten, kam uns ein weiterer Security-Officer entgegen. „What are you guys doing here“, merkte auch er sehr schnell, das wir irgendwie nicht hierhin gehörten. „Wir haben uns verlaufen und suchen die Toiletten“, entgegnete ich nervös auf Englisch. „Man…da seid ihr völlig falsch hier! Biegt den dritten Gang links ab und danach nehmt ihr den zweiten Gang nach rechts. Dann durch die zweite Tür auf der linken Seite und die Treppe hoch. Dort findet ihr die Toiletten“, antwortete er energisch. 
YES! Zum einen ließ auch er es darauf beruhen und zum anderen zeigte er uns den Weg in die Freiheit. Wir folgten seinen Anweisungen und keine 5 Minuten später waren wir im Innenraum der Halle. Im Schlauch quasi. Dort, wo sich die ganzen Fressstände befanden. Wir hatten die ersten beiden Linien an Ticket-Kontrollen bereits überwunden.

Jetzt mussten wir nur noch durch die Blockkontrolle! Aber dies schien ein unüberwindbares Hindernis darzustellen. Denn an jedem Blockeingang standen gleich zwei Personen, die die Tickets kontrollierten! Wir gingen im Schlauch der Halle ein wenig rundum und irgendwann entdeckten wir, dass an einem Blockzugang nur eine einzelne Dame stand. Und diese aktuell sogar abgelenkt war, da sie mit mehreren Personen eine Unterhaltung führte. Wir handelten blitzschnell und huschten unbemerkt in ihrem Rücken ab in den Block! Wir waren drin!

In der Halle selbst war es noch total leer. Von den 20.000 Sitzplätzen waren vielleicht maximal 500 belegt, denn es war noch sehr früh. Der Hauptkampf würde frühestens in knapp 2 Stunden beginnen. Einer der Vorkämpfe jedoch lief bereits. Ich wusste vom Besuch anderer Boxveranstaltungen, dass die Plätze in den unteren bzw. vorderen Reihen meist erst 5 oder 10 Minuten vor dem eigentlichen Main-Event des Abends besetzt werden. Hier schien es uns angesichts der Tatsache, dass wir nicht einmal ein gültiges Ticket vorweisen konnten, für die nächsten 90 Minuten am sichersten! Also machten wir uns auf den Weg nach ganz unten und setzten uns in die vierte Reihe. Ca. 3-4 Meter Luftlinie vom Boxring entfernt. Quasi auf die besten Plätze im ganzen Haus. In diesem drei Reihen umfassenden Block saß zu diesem Zeitpunkt noch keine einzige Person.
Wir setzten uns in Block A! Und zwar ganz nach vorn in Block A!
Wir saßen aber nicht einmal eine Minute, als eine Dame zielstrebig auf uns zukam. Die nächste unangenehme Situation drohte. Abhängig von ihrer Frage hatten wir uns schon diverse Ausreden parat gelegt. Als sie uns erreichte, begrüßte sie uns jedoch nicht nur mit einem Lächeln, sondern fragte uns ganz lieb, was wir denn gern trinken würden!? Nach den aufregenden 30 Minuten zuvor bestellten wir zum Runterkommen erst einmal jeder ein Bier. Keine drei Minuten später brachte die Dame unsere Bestellung. Als ich sie fragte, was sie von uns bekäme, sagte das Mädel: „Gar nichts, die Getränke sind kostenlos in diesem Block“. Wir gaben ihr 5 Dollar Trinkgeld und bedankten uns herzlich. 

Ob es am üppigen Trinkgeld lag oder an unserer Attraktivität, darüber kann ich im Nachhinein nur spekulieren. In jedem Fall aber dauerte es keine 10 Minuten und die junge Dame fragte abermals, ob wir noch etwas trinken wollten! Da das Budweiser bei uns gut runterlief, bestellten wir zwei weitere Bier. Und weitere 15 Minuten darauf das dritte Bier! Was wir dabei aber komplett außer Acht ließen, war die Tatsache, dass das, was man oben hineinschüttet, früher oder später unten auch wieder hinaus muss! Und dieser Zeitpunkt war bei Alexander - eh mit einer Sextanerblase ausgestattet -  exakt nach dem dritten Bier erreicht. Jetzt standen wir also vor dem nächsten Problem. Wir hatten kein Ticket in der Tasche. Raus aus dem Block würde er schon kommen…aber wie wieder rein? In jedem Fall aber hielt es Zander nicht mehr aus und er musste los. Für irgendwelche Absprachen, falls es schief gehen und er nicht mehr zurückkommen sollte, blieb keine Zeit mehr.

Als Alexander nach 15 Minuten immer noch nicht zurück war, fing ich an mir Sorgen zu machen! War er erwischt worden? Hat er evtl. nur unsere Plätze nicht mehr gefunden? Handys gab es damals noch nicht und ich konnte ihn nicht erreichen. Ich entschied mich dafür, weitere 5 Minuten zu warten und mich dann auf den Weg zu machen ihn zu suchen…

Wie der Abend weiter verlief und was George Foreman für ein super sympathischer Typ ist….das erfahrt ihr dann in Teil II dieses Posts!

Freitag, Oktober 14, 2016

Hauchdünn am WM-Titel vorbei! Backgammon bei den Reichen und Schönen in Monte Carlo

Irgendwann Mitte April flatterte eine Mail in mein Postfach mit einer Einladung zu der Ende Juli in Monte Carlo stattfindenden Backgammon-Weltmeisterschaft. Irgendwie schien meine E-Mail Adresse noch im Verteiler zu sein, da ich dort vor 10 Jahren bereits überaus erfolglos  zwei Jahre in Serie teilgenommen habe. Da eine Reise zu den Poker-Weltmeisterschaften nach Las Vegas für mich in diesem Jahr zu 100% nicht zur Debatte stand, war dies doch vielleicht eine nette Alternative!? Ich fing an mich dafür interessieren und einen Versuch ins Auge zu fassen!
Übernachtungen im Fairmont-Hotel, dort wo das Turnier jedes Jahr ausgetragen wird, kamen für mich aufgrund des Bauchschmerzen erzeugenden Preises von 330,- € pro Nacht (ohne Frühstück!) definitiv nicht in Frage. Und somit machte ich mich bei AIRBNB, wo man Unterkünfte von bzw. bei Privatleuten buchen kann, auf die Suche nach einem geeigneten Apartment. Und ich wurde auch recht schnell fündig. Klein, aber fein und nach Aussage des Studio-Besitzers lediglich 10 Gehminuten vom Fairmont-Hotel entfernt. Mit einem Preis von knapp über 80 € pro Nacht nach Monaco-Standard sogar sehr preisgünstig. Wieso die Übernachtungen dort so günstig waren, das sollte ich spätestens nach der ersten Nacht wissen…aber dazu später mehr.
Statt im feudalen Fairmont-Hotel wählte ich ein Sauna-Studio!
Ende Juli ging es dann mit dem Flieger nach Nizza und von dort aus mit dem Bus weiter ins Fürstentum. Der französische Busfahrer muss früher Formel-1 Fahrer gewesen sein und fuhr die recht engen Bergstraßen – nach rechts ging es teilweise mehr als 100 Meter den Abhang herunter – in einem Tempo, dass mir teilweise sehr mulmig wurde. Aber er brachte uns sicher zum Zielort und er war dann sogar so nett, mich direkt zu meinem angemieteten Apartment zu fahren. Wow…der netteste Franzose, der mit im Laufe meines Lebens begegnet ist! Mein kleines neues Zuhause für die die nächsten 9 Tage lag im 5. Stock eines sehr alten Gebäudes, war ungefähr 9 m² groß mit einem kleinen Extraraum für Toilette und Dusche.

Im Laufe der Turnierwoche fanden mehrere verschiedene Events statt und neben dem WM-Turnier stand auch die Monte Carlo Open auf meiner ToDo-Liste. Ideal als Warm-Up geeignet. Es ging auch recht gut los, denn gleich im ersten Match schlug ich einen italienischen Spitzenspieler mit 7:2. Es ging also exakt so weiter wie ich in meinen Trainingsmatches im heimischen Ostwestfalen aufgehört hatte. Ich hatte alles weggeputzt, strotzte vor Selbstbewusstsein und derjenige, der mich am Backgammon-Board schlagen sollte, musste erstmal kommen!

Auch mein zweites Match dauerte nicht sehr lang. Hier musste ein Schwede dran glauben. Im dritten Duell traf ich dann auf den ebenfalls noch ungeschlagenen US-Amerikaner Martin De Bruin. Martin ist 86 Jahre alt und hat in seinem Leben vermutlich mehr Backgammon-Matches gespielt als ich Pokerhände, ein sehr erfahrener Spieler. Gleich nach den ersten gespielten Zügen merkte ich jedoch, dass er der bis zu diesem Zeitpunkt schwächste Gegner war. Er übersah einfach etliche gute Züge. Ein weiterer Sieg war im Kopf also bereits auf der Habenseite gebucht und ich ertappte mich hin und wieder dabei, wie ich am Nachbartisch bereits das Match der beiden potentiellen Gegner für die nächste Runde beobachtete.

Beim Backgammon jedoch ist es ähnlich wie beim Pokern! Jeder kann jeden schlagen und selbst Fedor Holz kann gegen jeden x-beliebigen Pokerspieler 3 Matches nacheinander verlieren. Der Glücksfaktor wird nie unter 20-30% gehen. Beim Backgammon ist es wirklich absolut identisch. Wenn du ab und an und vor allen Dingen zum richtigen Zeitpunkt einen Jokerwurf raushaust, dann schlägt dich kein Mensch auf diesem Globus! Tja…und ihr ahnt, was mir in diesem Match passiert ist. Ich bekam gegen den 86-Jährigen Grand Senior des Backgammons kein Bein an die Erde und Martin fegte mich mit 7:0 von der Platte! Hauptrunde ade, ich landete in der Trostrunde. Hier gewann ich dann zwar nochmals zwei Matches, musste aber eine Runde vor Erreichen des Preisgeldes die Segel streichen. Alles in allem jedoch ein solider Start in die Woche mit 4 Siegen aus 6 Partien!

Einen Tag später dann der Start der Weltmeisterschaft. In Runde 1 wurde mir ein Armenier zugelost. Obwohl...eigentlich waren es drei Armenier! Denn mein Gegner brachte gleich zwei Bodyguards mit an den Backgammon-Tisch! Selbst der Kleinere der beiden "Boardsteher" überragte mich noch um anderthalb Köpfe (beide übrigens breit wie Kleiderschränke). Die beiden wichen zu keiner Zeit von unserem Board ab. Irgendwie schien mein Gegner also eine Menge Kohle zu haben oder vor irgendwas Angst zu haben. Aber weder die Bodyguards wie auch erst Recht mein Gegner konnte mich beeindrucken oder verunsichern. Ich kannte keine Gnade mit dem Millionär und fegte ihn 11:6 vom Board. In Runde 2 saß mir dann ein in Frankreich lebender Deutscher gegenüber. Er schien in jedem Fall spielstärker zu sein als der Armenier aus Runde 1. So musste ich über die volle Distanz gehen um letztendlich per DMP (Doppelmatchpoint) und knapp mit 11:9 in die dritte Runde einzuziehen.

Der erste Tag war somit absolut nach Plan gelaufen und am Abend ging es zurück in mein schnuckeliges Apartment. Schnuckelig warm war es zumindest angesichts der nicht vorhanden Klimaanlage. Ziemlich fahrlässig in Südfrankreich! Wenn es tagsüber wochenlang konstant 35 Grad und mehr ist und das Fenster zudem auch noch zur Sonnenseite ausgerichtet ist, dann kann man sich vielleicht ansatzweise vorstellen, wie pervers die Luft in der Bude war. Ein Problem kam on Top noch hinzu. Ich konnte das Fenster auch nachts/morgens nicht öffnen, da mehrmals am Tag Zig Hundert Schwalben in dem Luftkorridor vor dem Gebäude ihre Kreise zogen und manche halt nicht rechtzeitig die Kurve bekamen. Direkt am ersten Tag hatte ich bei geöffnetem Fenster gleich mehrere Schwalben in meinem Zimmer. Selbst, als ich das Fenster nachts nur einen ganz kleinen Hauch geöffnet ließ (normaler Weise nicht mal für einen Kolibri breit genug!), wurde ich am nächsten Morgen durch das Gezwitscher einer Schwalbe geweckt, die den Weg durch den Minispalt fand und in meinem Zimmer an einem Vorhang hing . Sie hatte vor Angst bereits fast alles “zugeschissen“, bevor ich wach wurde! Oh man…wie sollte ich es nur weitere 8 lange Nächte in dieser Mischung aus Sauna und Zoo aushalten ohne komplett durchzudrehen? Na ja, wie ihr seht habe ich es zumindest überlebt. Aber es war schon heftig und der recht günstige Studio-Preis mehr als gerechtfertigt. Für das nächste Jahr habe ich allerdings von einigen anderen Teilnehmern recht gute Tipps bekommen, wo man in Monte Carlo wesentlich besser und noch preisgünstiger wohnen kann! Wer von den Pokerspielern, die diesen Blog lesen, im kommenden Jahr planen sollte nach Monte Carlo zu reisen, kann sich gern mit mir in Verbindung setzen. Und wer in Monaco mal günstig Urlaub machen möchte, ist natürlich ebenfalls herzlich eingeladen, mich zu kontaktieren! Es gibt unweit des Monte Carlo Bay Resorts erstklassige und überaus preiswerte Unterkünfte!

An Tag zwei stand zunächst mein Drittrundenduell gegen die Russin Juliya Gromenkova auf dem Programm. Ich hatte mich im Vorfeld per Internet ein wenig schlau gemacht und wusste, dass Juliya bereits etliche Lady-Events bei diversen größeren Turnierserien gewonnen hatte. Ich durfte sie also auf keinen Fall unterschätzen! Das Match lief alles andere als gut für mich an und die attraktive Russin zeigte mir meine Grenzen auf. Schnell lag ich 7:4 (alle Matches auf 11 Punkte) im Rückstand und es roch sehr stark nach meiner ersten Niederlage. Mit etwas Glück jedoch fand ich nicht nur ins Match zurück, sondern konnte es ausgleichen und letztendlich mit 11:8 die Oberhand behalten! 

Es liegt was in der Luft! Meine Achtelfinalpaarung gegen die Russin Juliya Gromenkova

Ich stand im Viertelfinale und zum ersten Mal kam mir der leise Gedanke, dass ich mittlerweile ja gar nicht mehr so weit von der Erfüllung (m) eines großen Traumes – irgendwann einmal in irgendwas Weltmeister zu sein – entfernt war! Das, was ich von den im Event verbliebenen Teilnehmern sah, flößte mir ebenfalls nicht wirklich Angst ein und alles, was ich nun lediglich benötigen würde, war ein wenig Unterstützung von ganz oben …vom Würfelgott! 

Mein nächster Gegner jedoch war ein harter Brocken – die Nr. 1 der italienischen Rangliste. Einer der Turnierdirektoren, der mich kurioserweise vom Poker kannte, sagte mir, dass der Italiener der absolute TOP-Favorit unter den verbliebenen Teilnehmern sei und ich somit leider das schwerste Los im Viertelfinale gezogen hatte! Ich möchte es jetzt mal genauso unspektakulär beschreiben, wie die Partie sich auch wirklich zugetragen hat. Der Tifosi hatte nicht den Hauch einer Chance gegen mich! Er bekam keinen Fuß an die Erde und ehe das Match angefangen hatte, so war es auch fast schon wieder vorbei! Mit 11:2 hatte ich gewonnen und ihn regelrecht überrannt. Mit diesem Erfolg stand ich nun ungeschlagen im Halbfinale des Hauptfeldes...lediglich 3 Siege vom Weltmeistertitel entfernt! Mit mir ein Däne, ein weiterer Deutscher sowie der Brite Stephen Chidwick, den sicher die meisten der Pokerenthusiasten unter den Lesern dieses Blogs auch von vielen Poker-Livestreams kennen. Ihn hatte ich zuvor sicherlich bereits 20 Mal kommentiert. Nun könnte es unter Umständen zu einem WM-Finale zwischen ihm und mir kommen…!?

Tag 3 – das Halbfinale

Der Däne Lasse Danielsson sollte mein Gegner im Halbfinale sein. In Dänemark ist Backgammon extrem populär. Es gibt fast genauso viele Ligen beim Backgammon wie bei uns im Fußball. Und wer aus Dänemark zur Weltmeisterschaft reist, der würde definitiv auch schwer zu schlagen sein. Und dies sollte ich auch zu spüren bekommen!
Überaus kurios übrigen die Tatsache, dass mein Halbfinale zur exakt gleichen Zeit terminiert war wie die praktische Führerscheinprüfung meiner Tochter! Würden wir beide simultan unsere Prüfungen bestehen? Ihre Gegner waren der Straßenverkehr sowie ein Fahrprüfer, meiner ein unbequemes Nordlicht! Während bei meiner Tochter alles recht glatt lief und sie nach nicht einmal 30 Minuten Fahrtzeit „ihr Match“ gewann, so lief es bei mir alles andere als wunschgemäß an. Danielsson schien ein besseres Bündnis mit dem Würfelgott abgeschlossen zu haben und warf in den ersten Partien wirklich einen Jokerwurf nach dem anderen ab! 0:1, 0:2, 0:3 …ich sah kein Land! 0:4, 0:5, 0:6…irgendwas musste ganz dringend passieren! Ich nahm mein Time-Out und ging erst einmal an die frische Luft. Ich musste den Lauf meines Gegners unbedingt unterbrechen. In der Pause bekam ich dann nicht nur moralische Unterstützung von einigen Deutschen, sondern Götz Hildsberg gab mir zudem noch einige wichtige strategische Tipps mit auf den Weg. Vor allen Dingen aber teilte er mir mit, dass ich bei diesem Spielstand von nun an sehr aggressiv doppeln solle und nach einem TAKE des Gegners eben auch risikoreicher versuchen solle auf Gammon (doppelte Punktzahl) zu gambeln. Ich musste das RISIKO erhöhen! 

Gesagt getan! Gleich im ersten Match nach der Pause bot sich die Chance auf ein aggressives Doppel, nachdem der Däne zwei Fahrkarten in Serie schmiss. Ich zeigte ihm die 2, er nahm an und ich gewann die Partie GAMMON! Nur noch 4:6. Ich war wieder am Leben! Gleich in der Partie darauf eine fast ähnliche Situation. Auch hier nahm Lasse mein Doppel an. Und ich schlug ihn gleich nochmals GAMMON…Yes! Innerhalb von nicht einmal 10 Minuten drehte ich einen 0:6 Rückstand in eine 8:6 Führung. TIME-Out des Dänen!

Mein Halbfinale gegen den Dänen Lasse Danielsson (links neben
mir der Pokerprofi Stephen Chidwick) 
Anschließend lehnte ich zwei seiner Doppler ab und das Spiel stand unentschieden 8:8. Dann einen Punkt ich, einen Punkt er. Die Spannung konnte kaum größer sein, denn es stand 9:9. Das nächste Spiel würde entscheiden, denn bereits vor seinem zweiten Zug zeigte Danielsson mir sehr früh die Zwei. Ich nahm natürlich an. Wer würde der Gegner von Stephen Chidwick im Finale werden? Der Brite hatte seine Partie am Nachbarboard nämlich bereits gewonnen.

Der Däne zeigte nun Zauber-Backgammon. Jeder Wurf passte. Ich stand hoffnungslos vor dem Abgrund. Ich hatte aber zumindest noch einen Anker auf seinem 1er-Punkt und auch mein Timing war einigermaßen in Ordnung. Würde er noch einen Fehlwurf beim Rauswürfeln haben und mir eine Chance geben? Ich diesen dann auch treffen?
JA…er hatte noch Fehlwürfe. Zwei sogar. Zweimal in Serie hatte ich die Chance mit einer 2 einen gegnerischen Stein zu treffen und das Match noch zu meinen Gunsten zu drehen. Aber es sollte nicht sein. Ich traf nicht und der Däne zog ins WM-Finale ein. 

Ich hatte zwar noch eine Chance über die Trostrunde, aber hier lief dann alles gegen mich und von hier an (Konsolation sowie auch last Chance) verlor ich alle meine Paarungen. Ich wurde offiziell zwar WM-Sechster, aber ich kam nicht einmal ins Preisgeld. Zwar hatte ich mit einigen meiner Gegner noch private Deals zur finanziellen Absicherung abgeschlossen, so dass ich mein Startgeld wieder im Sack hatte, aber dennoch war es nicht das, was ich wollte!

Im nächsten Jahr wird es auf jeden Fall einen weiteren Angriff geben, denn die 9 Tage bei den Reichen und Schönen im fürstlichen Monte Carlo haben sehr viel Spaß gemacht. Und Nervenkitzel hatte ich auch reichlich.
Und irgendwann wird es auch mal was mit dem WM-Titel! Diesen gewann Stephen Chidwick dann sehr überzeugend. Er verlor in der Woche nicht ein einziges Match! Und dies, obwohl er vorher niemals LIVE an einem Backgammon-Board saß. Er hatte vorher nur Online gespielt und sich hier auch seine Skills angeeignet. Glückwunsch an den sympathischen Briten, mit dem ich zusammen dann auch noch seinen Sieg gefeiert habe! Übrigens sein erster Major-Titel, denn beim Pokern blieb ihm dieser trotz mehr als 6 Millionen Dollar an Turnierpreisgeldern bislang verwehrt! 
Verdienter Weltmeister: Stephen Chidwick (UK) 




Darf ich dich was fragen?

▪  Hi Potti, wie geht es dir? ▪  Hallo Herr Pott, Sie kennen sich doch in der Pokerszene ganz gut aus. ▪ Potti, d arf ich dich was fragen? ...