Mittwoch, Oktober 19, 2016

Labyrinth, Sextanerblase und Oscar dela Hoya (Teil 1)

Nach langer Zeit gibt es heute mal wieder eine “Las Vegas-Story“. Und ich darf ergänzen, dass diese Story zu meinen absoluten Lieblingsgeschichten gehört. Ich werde diesen Tag  in meinem Leben definitiv nie vergessen! 

In all den Jahren des “Bloggens“ bin ich übrigens auch hin und wieder auch mal angesprochen worden, ob sich die beschriebenen Ereignisse denn auch wirklich alle so zugetragen haben. Oder ob ich beim Verfassen der Storys nicht doch mal ein wenig dazu gedichtet hätte oder ob ich die eine oder andere Geschichte vielleicht gar komplett frei erfunden hätte. Also, ich kann euch auf jeden Fall versichern, dass sich alles, was ich hier dokumentiere, zu 100% exakt so zugetragen hat. Wenn man längere Zeit in einer total verrückten Stadt wie in Las Vegas lebt und dazu selbst auch leicht einen an der Waffel hat, dann erlebt man nun mal so einiges...lol

Wobei ich ehrlich gestehen muss, dass die heutige Story wirklich ein wenig unglaubwürdig und fiktiv erscheint. Und vermutlich würde ich selbst auch zweifeln, wenn ich sie irgendwo anders lesen würde. Aber der Abend des 13. September 1997 hat sich in der Tat exakt so abgespielt wie im Nachfolgenden beschrieben. Und ich bin ehrlich gesagt heilfroh, dass ich diesen Abend nicht allein erlebt habe, sondern mit meinem langjährigen Freund “Zander“ sogar einen Zeugen habe. Alexander ist ein erfolgreicher Geschäftsmann aus meiner Heimatstadt Rheda-Wiedenbrück, gleichzeitig übrigens auch Vorstandsmitglied unseres heimatlichen Fußball-Regionalligisten SC Wiedenbrück 2000.

Aber ganz von vorn…Anfang September 1997 flog ich zusammen mit Alexander sowie meinem besten Kumpel Rolo nach Las Vegas. Es war der erste von etlichen gemeinsamen Trips in die USA mit den Jungs. Auch im September 2001 während der Terroranschläge auf NY waren wir übrigens gemeinsam drüben und welche aufregenden Tage wir zu jener Zeit erlebten, darüber werde ich vielleicht in einem separaten Blog berichten. Am Samstag, den 13. September, lagen wir nachmittags am Pool unseres Hotels Binion‘s Horseshoe in Downtown Las Vegas. Der Pool befindet sich übrigens auf dem Dach im 25. Stockwerk! Als ich beim Chillen auf der Sonnenliege die Wochenendausgabe des Review Journals durchblätterte, entdeckte ich auf der letzten Seite eine ganzseitige Annonce zu dem am Abend stattfindenden Box WM-Kampf zwischen Oscar de la Hoya und Hector “Macho“ Camacho. Der Kampf fand im Thomas & Mack Center in Las Vegas statt, einer Halle mit einem Fassungsvermögen von knapp 20.000 Zuschauern. Und unten in der Anzeige stand, dass noch Restkarten an der Abendkasse erhältlich seien! Ich fragte die Jungs, ob das vielleicht was für unsere Abendplanung sein könnte. Während aus der einen Ecke nur ein müdes „Nö, keinen Bock. Ich mache heute einen ruhigen Fernsehabend“ kam (die Meldung kam natürlich von Rolo), zeigte Zander hingegen Interesse. Er teilte mit, dass er noch nie bei einem großen Boxkampf gewesen sei. Wir beschlossen hinzufahren und uns den Kampf anzuschauen!
Oscar "The golden Boy" dela Hoya vs. Hector "Macho" Camacho
Nach dem Duschen machten wir uns ein wenig schick und fuhren relativ früh los. Vor der Halle war noch nicht wirklich viel los, aber das Kassenhäuschen für den Verkauf der Restkarten war bereits geöffnet. Dort allerdings die erste Enttäuschung. Es gab nur noch zwei Kategorien an Tickets. Entweder für 50$ in der obersten Reihe und quasi direkt unterm Hallendach oder alternativ für 800$ in der 12. Reihe und somit recht nah am Ring. Wir schauten uns an und wenn, dann kam sowieso nur das 50$-Ticket in Frage. Denn a) hatte wir keine 1.600$ mit und b) würde ich für den Besuch einer Sportveranstaltung - welcher Art auch immer - nie im Leben 800$ ausgeben.
Ich kannte die Halle von zig Spielen der UNLV Rebels und wusste, dass man vom Oberrang aus ohne Fernglas nicht mal ein Basketball-Spiel vernünftig verfolgen konnte. Das würd bei einem Boxkampf, und dazu noch von der allerobersten Reihe nun mal gar keinen Sinn machen. Von dort kann man mit Glück überhaupt gerade mal den Ring sehen. Wir schauten uns nochmals bedröppelt an und kamen zum gleichen Fazit. Es machte keinen Sinn ein Ticket zu kaufen! Wir beschlossen ein Taxi zu nehmen, zum Las Vegas Strip zu fahren und uns den Kampf in einem der großen Casinos im Sportsbereich auf der Leinwand anzuschauen.

Um zum Taxistand zu gelangen, mussten wir zunächst einmal um die große Halle rum. Auf halbem Wege sahen wir, dass vor einem geöffneten Hallentor ein größerer LKW stand, aus dem etliche Leute Getränkekisten holten und in die Halle schleppten. Zander und ich sahen uns an und zwei Verrückte hatten in diesem Moment den gleichen Gedanken! Wir näherten uns dem LKW, schnappten uns jeweils zwei Getränkekisten und trotteten den hart schleppenden Jungs hinterher. Schnurstracks in die Halle. Während die Karawane aber irgendwann links abbog Richtung Getränkelager, stellten wir unsere Kisten ab und gingen einfach geradeaus weiter.

Nun kamen wir direkt an der Großküche vorbei, in der die hektischen Vorbereitungen für die Veranstaltung bereits auf Hochtouren liefen. Niemand störte sich an uns. Rechts an der Wand hingen Dutzende von Kochschürzen und Kochmützen. Wir überlegten kurz, ob wir den weiteren Weg “als Köche“  beschreiten sollten. Es hätte im Nachhinein betrachtet vermutlich vieles leichter gemacht. Aber wir verzichteten darauf und gingen weiter…landeten nach kurzer Zeit in den verwinkelten Katakomben der Sportstätte. Die Gänge waren sehr eng, es roch stickig und wir hatten keine Ahnung, wohin wir überhaupt gehen mussten um in den Innenraum zu gelangen. Die Gefahr erwischt zu werden war uns bewusst, denn die Amerikaner verstehen bei so etwas keinen Spaß. Wenn man uns hier ohne Eintrittskarten aufgabeln würde, dann könnten wir ein kleines Problem bekommen und es könnte unter Umständen böse Konsequenzen für uns haben. Aber den Gedanken verdrängten wir. Wir wollten den Kampf sehen und mussten jetzt zusehen, dass wir irgendwie den Innenraum der Halle erreichten.

Aber jetzt galt es erst einmal einen Ausweg aus diesem Labyrinth an Gängen zu finden. Nach gut 10 Minuten wurde unsere Angst - hier überhaupt jemals wieder herauszufinden - fast größer als die Sorge ertappt zu werden. Irgendwann aber hörten wir Gott sei Dank Stimmen. Stimmen, denen wir freudig entgegengingen. Wir kamen an eine Tür, die wir öffneten. Und landeten mitten im Presseraum! Es herrschte Trubel & Chaos. Geschätzt 50 Personen saßen vor ihren Laptops und schrieben Kurzartikel zum bevorstehenden Großereignis für ihre jeweiligen Auftraggeber. Oder sprachen in ihre Diktaphone. Puh…hier waren wir erst einmal sicher. Keiner schien uns zu beachten. Dachten wir zumindest! Es dauerte aber keine 30 Sekunden, bis ein Security-Officer schnurstracks auf uns zukam. Nicht verwunderlich, denn Alexander und ich waren die einzigen beiden Personen im Raum, die keine Presseakkreditierung um den Hals baumeln hatten. „What are you guys doing here?“, kam es mit energischer Stimme. Oh Gott, jetzt musste irgendwas Sinnvolles her! „We come from German Television…RTL…to cover the fight”, brachte ich spontan hervor. “And where are you accredidations?”, kam die Gegenfrage. “We forgot them in the car. Our colleague is getting them”, so meine Lüge. “But you can’t be in here without accreditation!” und der Security-Officer machte uns klar, dass wir den Raum auf dem schnellsten und gleichen Wege wieder verlassen sollen, wie wir ihn auch betraten. Er schickte uns wieder zurück ins Labyrinth der unterirdischen Gänge!
Thomas & Mack Center in Las Vegas
Die gute Nachricht war, dass er es Gott sei Dank dabei beließ und uns nicht weiter “checkte“. Die schlechte Nachricht war, dass wir nun ein zweites Mal im Wirrwarr der schmalen Gänge gefangen waren. Jedes Spiegelkabinett auf einem Jahrmarkt ist ein Klacks gegen dieses Labyrinth an Gängen! Nachdem wir weitere 10 Minuten planlos kreuz und quer umherirrten, kam uns ein weiterer Security-Officer entgegen. „What are you guys doing here“, merkte auch er sehr schnell, das wir irgendwie nicht hierhin gehörten. „Wir haben uns verlaufen und suchen die Toiletten“, entgegnete ich nervös auf Englisch. „Man…da seid ihr völlig falsch hier! Biegt den dritten Gang links ab und danach nehmt ihr den zweiten Gang nach rechts. Dann durch die zweite Tür auf der linken Seite und die Treppe hoch. Dort findet ihr die Toiletten“, antwortete er energisch. 
YES! Zum einen ließ auch er es darauf beruhen und zum anderen zeigte er uns den Weg in die Freiheit. Wir folgten seinen Anweisungen und keine 5 Minuten später waren wir im Innenraum der Halle. Im Schlauch quasi. Dort, wo sich die ganzen Fressstände befanden. Wir hatten die ersten beiden Linien an Ticket-Kontrollen bereits überwunden.

Jetzt mussten wir nur noch durch die Blockkontrolle! Aber dies schien ein unüberwindbares Hindernis darzustellen. Denn an jedem Blockeingang standen gleich zwei Personen, die die Tickets kontrollierten! Wir gingen im Schlauch der Halle ein wenig rundum und irgendwann entdeckten wir, dass an einem Blockzugang nur eine einzelne Dame stand. Und diese aktuell sogar abgelenkt war, da sie mit mehreren Personen eine Unterhaltung führte. Wir handelten blitzschnell und huschten unbemerkt in ihrem Rücken ab in den Block! Wir waren drin!

In der Halle selbst war es noch total leer. Von den 20.000 Sitzplätzen waren vielleicht maximal 500 belegt, denn es war noch sehr früh. Der Hauptkampf würde frühestens in knapp 2 Stunden beginnen. Einer der Vorkämpfe jedoch lief bereits. Ich wusste vom Besuch anderer Boxveranstaltungen, dass die Plätze in den unteren bzw. vorderen Reihen meist erst 5 oder 10 Minuten vor dem eigentlichen Main-Event des Abends besetzt werden. Hier schien es uns angesichts der Tatsache, dass wir nicht einmal ein gültiges Ticket vorweisen konnten, für die nächsten 90 Minuten am sichersten! Also machten wir uns auf den Weg nach ganz unten und setzten uns in die vierte Reihe. Ca. 3-4 Meter Luftlinie vom Boxring entfernt. Quasi auf die besten Plätze im ganzen Haus. In diesem drei Reihen umfassenden Block saß zu diesem Zeitpunkt noch keine einzige Person.
Wir setzten uns in Block A! Und zwar ganz nach vorn in Block A!
Wir saßen aber nicht einmal eine Minute, als eine Dame zielstrebig auf uns zukam. Die nächste unangenehme Situation drohte. Abhängig von ihrer Frage hatten wir uns schon diverse Ausreden parat gelegt. Als sie uns erreichte, begrüßte sie uns jedoch nicht nur mit einem Lächeln, sondern fragte uns ganz lieb, was wir denn gern trinken würden!? Nach den aufregenden 30 Minuten zuvor bestellten wir zum Runterkommen erst einmal jeder ein Bier. Keine drei Minuten später brachte die Dame unsere Bestellung. Als ich sie fragte, was sie von uns bekäme, sagte das Mädel: „Gar nichts, die Getränke sind kostenlos in diesem Block“. Wir gaben ihr 5 Dollar Trinkgeld und bedankten uns herzlich. 

Ob es am üppigen Trinkgeld lag oder an unserer Attraktivität, darüber kann ich im Nachhinein nur spekulieren. In jedem Fall aber dauerte es keine 10 Minuten und die junge Dame fragte abermals, ob wir noch etwas trinken wollten! Da das Budweiser bei uns gut runterlief, bestellten wir zwei weitere Bier. Und weitere 15 Minuten darauf das dritte Bier! Was wir dabei aber komplett außer Acht ließen, war die Tatsache, dass das, was man oben hineinschüttet, früher oder später unten auch wieder hinaus muss! Und dieser Zeitpunkt war bei Alexander - eh mit einer Sextanerblase ausgestattet -  exakt nach dem dritten Bier erreicht. Jetzt standen wir also vor dem nächsten Problem. Wir hatten kein Ticket in der Tasche. Raus aus dem Block würde er schon kommen…aber wie wieder rein? In jedem Fall aber hielt es Zander nicht mehr aus und er musste los. Für irgendwelche Absprachen, falls es schief gehen und er nicht mehr zurückkommen sollte, blieb keine Zeit mehr.

Als Alexander nach 15 Minuten immer noch nicht zurück war, fing ich an mir Sorgen zu machen! War er erwischt worden? Hat er evtl. nur unsere Plätze nicht mehr gefunden? Handys gab es damals noch nicht und ich konnte ihn nicht erreichen. Ich entschied mich dafür, weitere 5 Minuten zu warten und mich dann auf den Weg zu machen ihn zu suchen…

Wie der Abend weiter verlief und was George Foreman für ein super sympathischer Typ ist….das erfahrt ihr dann in Teil II dieses Posts!

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