Montag, Juli 24, 2017

Der schönste Mann in Vegas

In meiner Rubrik „Storys aus Las Vegas“ dreht es sich heute um Stefano aus Mailand. Ich weiß gar nicht mehr genau, wo und wann genau ich Stefano zum ersten Mal kennengelernt habe. Auf jeden Fall war er zu damaligen Vegas-Zeiten auch nahezu jeden Tag im Mirage Casino. Irgendwann sind wir uns über den Weg gelaufen, ins Gespräch gekommen und wir waren uns gegenseitig sympathisch – immerhin verband uns ja auch die Tatsache aus Europa zu kommen und fernab der Heimat zu verweilen.
Mit der Zeit haben wir uns dann mehr und mehr angefreundet.  Die genauen Gründe, wieso der Italiener so wie ich in Las Vegas „gestrandet“ war, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht mehr. Auf jeden Fall war Stefano massiv dem Black Jack verfallen. Es war eine Sucht, gegen die er keine Chance hatte. Sobald er ein bisschen Geld in der Tasche hatte, dann ging es direkt an die Tische und er verzockte es. Meist auf dem schnellsten Wege, denn er spielte verdammt schlecht Black Jack. Stefano zog Karten, wenn er besser hätte stoppen sollen und stoppte, wenn er besser und nach mathematischen Gesichtspunkten noch eine Karte hätte ziehen müssen. Er splittete, wenn er nicht hätte splitten sollen usw. Kurzum…er kriegte es einfach nicht auf die Kette. Und so war es auch kein Wunder, dass Stefano eigentlich immer notorisch pleite war. 

Claus, mein damaliger WG-Partner und Pokermentor, und ich genossen es jedoch die Zeit mit Stefano zu verbringen, da er chronisch gut gelaunt  war und diese guten Schwingungen auch auf sein Umfeld übertrug. Es machte einfach Spaß mit ihm abzuhängen. Und Stefano hatte etwas, was ihn von vielen Männern ganz erheblich unterschied: Er sah umwerfend gut aus! Er war der mit Abstand schönste Mann, den ich in meinem Leben gesehen habe.  

Wenn wir mit Stefano durch die Casinos schlenderten, so konnten wir verspüren, wie sich wirklich jede (!) einzelne Frau nicht nur nach ihm umschaute, sondern ihn quasi auch schmachtend anstarrte. Er zog die Blicke einfach magisch auf sich.  Eine ähnliche Situation habe ich nur ein weiteres Mal in meinem Leben erfahren, als ich mit Boris Becker durch das Atlantis Resort auf den Bahamas spazierte. Auch hier zogen wir - um genau zu sein Boris - alle Blicke der Leute auf uns…eine wirklich seltsame und für mich davor und danach nie wieder erlebte Situation. 

Na ja, in jedem Fall war Stefano für Claus und für mich der ideale Partner zum Ausgehen. Wenn wir abends in irgendeinen Club oder in die Disco zogen, dann umringten uns ziemlich schnell viele hübsche Frauen. Es gibt im Übrigen sicherlich keinen zweiten Ort auf der Welt, wo es so viele hübsche Frauen gibt wie in Vegas!  Claus und ich sorgten dafür, dass der Getränkenachschub auf Hochtouren lief, damit die Laune bei den Beteiligten nicht nachließ. Und so endeten die Abende zumindest für Claus und mich eigentlich immer ab und an mit Frauen, die wir in unserem Leben und ohne den jungen Italiener gewiss nie kennengelernt hätten. Weitere Details erspare ich mir an dieser Stelle…lol. 

Stefano’s Leben unterhalb der Woche hingegen sah ziemlich trostlos und völlig sinnbefreit aus. Er streunte mit leeren Taschen durch die Casinos und versuchte sich irgendwie über Wasser zu halten. Seine Zeit kam an den Wochenenden, wenn die Touristen, genauer gesagt Touristinnen in die Stadt strömten. Dann zog er sich pikfein an, stylte sich, schlenderte durch die Casinos und hielt Ausschau. Und zwar nicht nach irgendwelchen jungen Models, die er im Übrigen auch alle hätte haben können. Seine Zielgruppe lag im Bereich der 40- bis 50-Jährigen. Diese Damen mussten nur ein einziges Kriterium zwingend erfüllen: sie mussten Kohle haben.
Und mit der Zeit hatte Stefano ein richtig geschultes Auge und ein sehr feines Gespür dafür entwickelt, wo und wann es sich lohnte ein paar Stunden zu investieren und wo eben nicht. Dann ließ er sich nicht nur seine Black Jack-Leidenschaft von ihnen sponsern, sondern bekam obendrein häufig noch reichlich Bargeld von ihnen zugesteckt, weil er ihnen irgendwelche Geschichten erzählte. Als Gegenleistung "prostituierte" er sich und suggerierte den Damen, die in der Regel im Alter seiner Mutter waren, wohl offenkundig recht glaubwürdig,  dass er nur sie lieben würde. So hatte Stefano sehr häufig an Sonntagabenden, wenn die Damen Las Vegas wieder verließen und zu ihren Ehemännern und Familien zurückkehrten, einige Tausend Dollar in der Tasche. Montags morgens jedoch war er immer wieder pleite. Wo er die Kohle ließ, brauche ich an dieser Stelle ja wohl nicht explizit erwähnen. 


Claus und ich versuchten wirklich alles um ihn vom Black Jack weg zu bekommen. Unter anderem haben wir versucht ihn für Poker zu begeistern. Immerhin hätte er in uns beiden zwei wirklich gute Lehrmeister gehabt.  Vermutlich hätten wir ihn trotz fehlenden Talents innerhalb von nur ein paar Tagen zu einem Winning Player, eventuell gar zu einer Waffe in den kleinen Limits gemacht. Aber wir scheiterten bereits beim Erklären der Basics. Ich will Stefano nicht zu Nahe treten, aber Logik und tiefer gehendes Denken gehörte einfach nicht zu den Stärken des Schönlings. Zudem mangelte es ihm sowohl an Disziplin als auch an Geduld. Er konnte am Pokertisch einfach keine drei Hände in Serie passen …das war ihm zu langweilig. Nach einigen Tagen/Wochen des Coachings, die uns wirklich auch viel Nerven gekostet haben, gaben wir dann völlig verzweifelt auf. Wir merkten mit der Zeit auch, dass Stefano nicht mehr von uns programmiert und trainiert werden wollte. Es ihn sehr anstrengte uns zuzuhören und die Sachen zu verinnerlichen.  Seine Launen wurde zusehends schlechter...die Stimmung angespannter. Irgendwann trennten sich also unsere Wege.

In den Wochen und Monaten darauf sah ich Stefano dann nur noch sporadisch. Meistens pumpte er mich um ein paar Dollar an, wenn wir uns begegneten, damit er sich etwas zu essen kaufen oder die Miete bezahlen konnte. Ab und an lieh ich ihm ein paar Dollar, obwohl ich genau wusste, dass er das Geld weder für Nahrungsaufnahme noch für die Miete verwendete, sondern umgehend am Black Jack Tisch verbrannte. Als Pfand hierfür gab er mir Klamotten von sich. Nette T-Shirts und coole teure Markenhemden, die er zuvor von seinen “Affairen“ geschenkt bekam. Ich stand damals noch gut im Saft und wir hatten die gleiche Kleidergröße…ich hatte somit zumindest einen materiellen Gegenwert für die Kleinkredite.  Auch seinen Reisepass hinterließ er bei mir, als er sich mal eine größere Summe auslieh. Er wollte mir das Geld ein paar Tage später zurückzahlen, da eine seiner betuchteren Verflossenen in die Stadt kam.
Er hat seine Klamotten nie bei mir ausgelöst. Eines seiner Shirts habe ich im Übrigen bis vor ein paar Jahren sogar noch regelmäßig getragen. Mittlerweile passt es mir leider nicht mehr. Sein mittlerweile abgelaufener italienischer Reisepass liegt heute noch in irgendeiner Kiste auf dem Dachboden meiner Eltern. 


Ich würde nur zu gern wissen, was Stefano heute macht. Vermutlich streunt er durch irgendwelche Mailänder Cafés und flirtet mit älteren Damen. Vielleicht ist er auch vernünftig geworden und hat Frau und Kinder….keine Ahnung. Ob er aber auch noch heute an einem Black Jack vorbeigehen kann, ohne dass es überall kribbelt, dass wage ich in jedem Fall stark zu bezweifeln! 

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