Sonntag, Juni 15, 2008

EPT Bericht San Remo

Poker in Italien boomt wie verrückt und so ist es nur logisch und konsequent, dass die European Poker Tour zum ersten Mal nach knapp 4 Jahren auch bei unseren südlichen Nachbarn Station macht. San Remo heißt der Austragungsort. Der Kurort mit gut 50.000 Einwohnern liegt direkt an der Mittelmeerküste und ist nur knapp 20 Kilometer von der französischen Grenze entfernt. Die Stadt lebt das ganze Jahr über fast ausschließlich vom Tourismus, aber für knapp eine Woche (vom 1.-5. April) hatten die Pokerspieler das Sagen in der ligurischen Regionshauptstadt.

Als sich die Verantwortlichen der EPT vor etlichen Monaten entschlossen ein Event in San Remo auszurichten, legten sie die Obergrenze der Anmeldungen für das Turnier auf 500 Spieler fest. Mehr Platz für aufzustellende Tische gibt das örtliche Casino nicht her. Als aber bereits einige Wochen vor Turnierbeginn das Event restlos ausgebucht war und immer noch Dutzende von weiteren Registrierungen eingingen, darunter auch viele Top-Spieler aus Europa und den USA, entschloss man sich seitens der Turnierorganisation kurzerhand die Obergrenze auf 700 Spieler zu erhöhen. Schnell wurden zusätzliche Pokertische organisiert und knapp 30 weitere Croupiers angeheuert und als es dann am 1.April losging, lagen in der Tat 700 Anmeldungen vor und noch ca. 50 weitere Spieler standen auf der Warteliste und hofften darauf, dass noch irgendwer absagt oder nicht erscheint und man nachrücken kann. Jeder Millimeter Platz im Casino wird nun ausgenutzt (selbst der Garderobenraum wird sporadisch umfunktioniert) und die Tische stehen so dicht aneinander, wie ich es vorher noch bei keinem anderen Pokerturnier in dieser Größenordnung gesehen habe. Wie Hühner auf der Stange sitzen sie dort, aber trotzdem herrscht eine extrem gute und knisternde Stimmung, denn immerhin geht es um einen Preispool von 3,2 Millionen Euro und allein für den Sieger gibt es einen Scheck von knapp 900.000 €.

Unter den vielen prominenten Teilnehmern unter anderem auch der mehrfache Ski-Olympiasieger Alberto "Tomba la Bomba" Tomba. Tomba ist mittlerweile faszinierter und leidenschaftlicher Pokerspieler und ebenfalls scharf auf den Sieg mit dem damit verbundenen Preisgeld, aber er scheidet bereits relativ früh am Tag 1 a aus. Nicht viel besser ergeht es den zahlreich angetretenen Deutschen. Es hagelt Bad Beats - vor allen Dingen gingen gegen die sehr spielfreudigen Italiener, die oft nur ungern vor der Rivercard passen und ab und an natürlich auch mal die benötigte Wunderkarte treffen. So überstehen lediglich Henrik Brockmann (100.100 Chips) und Cort Kibler-Melby (8.900) den Tag 1 a. Aus österreichischer Sicht hält Markus Golser mit gesammelten 37.600 Chips die Fahnen hoch. Der Tag 1 b läuft dann etwas besser aus deutscher Sicht, denn mit Jan Heitmann (91.800 Chips), Johannes Strassmann (44.300), Norbert Hölting (40.400), Besim Sumer (35.400), Marco Brech (Pokerstars-Qualifier, 22.500), Konstantin Bücherl (17.200), Heinz-Peter Brock (8.800) und Christoph Zweig (1.400) erreichen gleich 8 Spieler den zweiten Tag. Zu erwähnen ist hier sicherlich, dass Jan Heitmann quasi erst in letzter Sekunde ins Teilnehmerfeld gerutscht war. Er stand recht oben auf der Warteliste stand und ergatterte dann tatsächlich den letzten freien Platz im Feld. Es sollte sich für den im Sauerland geborenen und nun in München lebenden Profispieler auszahlen. Aber dazu später mehr.

Wie heiß es dann den Tischen herging und das beim Poker nicht nur die Mathematik, sondern gelegentlich auch andere Faktoren die Entscheidungen beeinflussen, erlebe ich dann am Ende des Tages 1 b selbst als Zeitzeuge mit. Ich stehe zufällig gerade an einem Tisch, wo sich in den Runden zuvor bereits 2 Italiener immer wieder heiße Duelle geliefert haben und jeder dem anderen scheinbar beweisen wollte, dass er der bessere Pokerspieler ist. Die Blinds stehen bei 300/600 und beide Kontrahenten haben knapp 40.000 Chips vor sich und liegen recht ordentlich im Rennen. Tifosi Nr. 1 sitzt nun UTG und raised preflop um das 10-fache des Big Blinds auf 6.000 (was an sich schon recht ungewöhnlich und viel zu hoch ist). Alle passen, nur sein italienischer Landsmann im Big Blind will sich anscheinend nicht kampflos ergeben und called das Raise. Der Flop bringt 754 rainbow und Big Blind checked. Mit den Antes liegen etwas mehr als 15.000 Chips im Pot. Tifosi Nr. 1 geht nun mit seinen restlichen 35.000 Chips All-in) und es dauert keine 3 Sekunden, da called Tifosi Nr. 2 das All-in. Er hat 1.000 Chips mehr als sein Landsmann. Während Tifosi Nr. 1 ein Paar Buben aufdeckt (ich frage mich, wieso er mit der Hand den Pot so künstlich aufgebläht hat), so bin ich um so überraschter, als der Big Blind lediglich Q6 zeigt. Er hat eine open-ended straight geflopt und setzt hierfür quasi sein ganzes Turnierleben aufs Spiel. Die Turnkarte ist ein AS und bringt keine Veränderung, aber als der Croupier am River eine 3 aufdeckt, komplettiert Tifosi Nr. 2 seine Straße und kickt seinen Sitznachbarn aus dem Turnier. Sie würdigen sich keines Blickes und es gibt auch nicht den sonst üblichen Handshake. Sehr untypisch für Pokerspieler, aber wie gesagt haben die beiden scheinbar einen persönlichen Kleinkrieg am Tisch austragen wollen und wenn die Emotionen dann überkochen, dann sind die Entscheidungen sehr oft nicht rational und der Schuß geht auch schnell mal nach hinten los. Nachzutragen bleibt hier, dass der Italiener, der diesen riesigen Pot gewonnen hat und nun mit knapp 80.000 Chips ganz vorn im Chipcount lag, den ersten Tag ebenfalls nicht überstanden hat. Kurze Zeit später machte er gleich noch zwei haarsträubende Calls, aber hier wurden dann keine Wunderkarten am River aufgedeckt und er hatte jeweils das Nachsehen. Wie gewonnen so zerronnen!

Am Tag 2 sind von den ursprünglich 700 Startern dann nur noch 208 im Wettbewerb und es wird etwas übersichtlicher im Casino von San Remo. Als nach einer guten halben Stunde die ersten Tische aufgelöst werden, kommt es dann zu einer Tischkonstellation, wie ich sie an einem Tag 2 eines EPT-Turniers vorher noch nie gesehen hatte. Auf Platz Nr. 1 dieses neuen Tisches, welcher dann auch für die nächsten Stunden im Blickpunkt aller Medienvertreter stehen sollte, sitzt Roland de Wolfe, seines Zeichen ehemaliger EPT- und WPT-Gewinner. Auf Platz 2 Eric Koskas aus Frankreich, der aktuell der Chipleader im Turnier ist. Der Mann aus Marseille ist immer dort zu finden, wo auch hohe Cashgame Partien angeboten werden. Ein wahrer Highroller und zudem sehr spiel- und kommunikationsfreudig. Auf Sitzplatz Nr. 3 William Thorson, exzellenter Berufspokerspieler aus Schweden. Auf Platz 5 Jason Mercier aus den USA, auch er spielt Online recht hohe Limits. Auf Platz 7 dann kein geringerer als der mehrfache Bracelet-Gewinner und Pokerstars-Pro Daniel Negreanu und Platz 8 bekommt mein EPT-Livestream Kommentatorenkollege Jan Heitmann zugelost. Armer Jan! Zudem sitzen noch 2 junge Skandinavier am Tisch, die auch nicht wirklich Angst haben oder zurückhaltend spielen. Zu allem Überfluss kommt noch, dass alle 8 Spieler extrem viele Chips vor sich liegen haben.

Die Jungs brennen ein wahres Feuerwerk ab und die Chips fliegen aus allen Seiten in die Mitte und es hagelt All-in's. Allein beim Zuschauen bekomme ich feuchtnasse Hände. Nicht vergessen werde ich z.B. eine Hand, in die Roland de Wolfe (UK) und Jason Mercier involviert sind. De Wolfe hatte preflop erhöht, Mercier einen Reraise angesetzt und anschließend ist Roland de Wolfe All-in gegangen. Beide haben in etwa gleich viele Chips. Mercier überlegt ein paar Minuten, entschließt sich dann aber zum Call und sinkt fast in sich zusammen, als de Wolfe ein Paar Damen zeigt. Mercier hält nur ein Paar Buben. Der Flop bringt 3 kleine Karten und auch die Turnkarte hilft keinem der beiden. Riverkarte ist dann jedoch ein J und der Engländer scheidet aus. Dieser Bube am River übrigens sollte für den US-Amerikaner Mercier der Beginn eines richtig guten Laufs sein. Aber auch Jan Heitmann schlägt sich prächtig, eliminiert unter anderem Daniel Negreanu und kann im Laufe des Tages immer mehr Chips ansammeln. Am Ende von Tag 2 hält Jan 255.000 Chips. Auch der in Berlin wohnende und gebürtige Bonner Johannes Strassmann (ebenfalls 255.000) und Henrik Brockmann aus Mönchengladbach (119.000) sowie Markus Golser aus Österreich (213.000) überstehen den Tag 2 und haben somit allesamt bereits 12.800 € sicher. Zudem sind mit Isaac Baron (USA, 181.000 Chips), Jason Mercier (USA, 684.000), William Thorson (SWE, 320.000), Eric Koskas (FRA, 596.000), Todd Brunson (USA, 144.000), Anthony Lellouche (FRA, 282.000) und dem Lokalmatador Dario Minieri (ITA, 595.000) noch etliche Hochkaräter im Rennen.

Am Tag 3 beginnt dann auch die Arbeit für mich und meinen Kollegen Markus Krawinkel beim Livestream (www.eptlive.com). Um 14.oo Uhr soll es losgehen und kurz vor Mittag treffen wir uns, gehen noch kurz runter zum Strand und genießen die schöne Mittagssonne mit Temperaturen um die 20° C sowie den azurblauen Himmel. Anschließend noch kurz eine Pizza zur Stärkung und pünktlich um 14.oo Uhr beginnt die Liveübertragung. Wir freuen uns aufs Kommentieren, denn selten zuvor hatten wir unter den letzten 40 Teilnehmern noch so viele Top-Stars und zudem noch etliche deutsche Spieler mit im Rennen. Unsere Landsleute schlagen sich auch weiter sehr beachtlich und als am frühen Abend nur noch 16 Spieler im Rennen sind und auf 2 Tische zusammengelegt wird, gehören sowohl Jan Heitmann als auch Henrik Brockmann und Johannes Strassmann noch zu denjenigen, die Chips haben. Der Österreicher Markus Golser schied übrigens auf Platz 21. aus, wofür es 16.000 € gab. Alle Spieler haben jetzt aber bereits 17.600 € sicher und mit ein wenig Glück steht ein ganz großer Zahltag bevor.

Es gibt eine kurze Turnierpause für das Dinnerbreak. Hier erfahren und erleben wir, wieso die Italiener die weltweit beste Küche haben. Vor- und Hauptspeisen vom Allerfeinsten und durch die Bank stimmen wir überein, dass wir noch nie zuvor während eines EPT-Turniers so gut verköstigt worden sind. Insgeheim wünsche ich mir, dass sich das Sättigungsgefühl heute mal noch später als sonst üblich einstellt, aber nach dem 4.Teller muss auch ich erkennen, dass nichts mehr geht. Mit uns am Tisch sitzen auch Jan und Johannes und beide strotzen vor Selbstbewusstsein und geben sich gegenseitig Tipps, wie man gegen diesen oder jenen Gegner am besten zu spielen habe. Die Ironie des Schicksals will es dann, dass die beiden nach der Essenspause an den gleichen Tisch gelost werden und ihr Tisch dann auch noch zum TV-Table erkoren wird. Sicherlich auch, weil der Lokalmatador und Publikumsliebling Dario Minieri ebenfalls mit am Tisch sitzt. Kurze Zeit später wird dann auch noch Henrik Brockmann an den Tisch gesetzt und alle 3 Deutschen bekommen ihre TV-Zeit. Aber irgendwie läuft es nach dem Dinnerbreak nicht mehr so richtig rund für die Deutschen und zunächst scheidet Jan Heitmann als 16. aus (17.600 €) und etwas später dann auch der Mönchengladbacher Henrik Brockmann (14. Platz, 22.400 €). Johannes Strassmann erreicht zwar noch den Final Table der letzten 9 Spieler, muss hier aber dann auch kurz vor Mitternacht die Segel streichen, als er mit AQs in die Hände des Italieners Genovese (AK) und des US-Amerikaners Bower (JJ) läuft und sich nicht verbessern kann. Für seinen 9. Platz bekommt Johannes dann 46.300 € ausgezahlt. Von den letzten 5 EPT-Turnieren hat Johannes Strassman somit gleich 3 Mal den Final Table der letzten 9 Spieler erreicht und zurecht wird er derzeit von vielen Experten als der stärkste deutsche Spieler angesehen. Vom 23-jährigen Berliner dürfte in Zukunft sicherlich noch einiges zu erwarten sein. Vielleicht gelingt ihm ja schon bei der WSOP in Las Vegas der ganz große Coup.

Der Final Table in San Remo mit den letzten 8 Spielern findet zwar ohne deutsche Beteiligung statt, aber es sollte ein Finale werden, von dem man noch lange sprechen wird. Neben dem Lokalmatador Dario Minieri sitzt mit Gregory Genovese ein weiterer Italiener am Tisch. Dazu die beiden heißblütigen Franzosen Anthony Lellouche und Eric Koskas, die beiden US-Amerikaner Marcus Bower und Jason Mercier und komplettiert wird der Final Table durch Dag Palovic aus der Slowakei und William Thorson aus Schweden. Hier aber zunächst die Einzelportraits der Spieler:

Gregory Genovese, 37, Rom, Italien - 694.000 Chips Der 37-jährige Italiener spielt erst seit einem Jahr Texas Hold'em. Vorher war er nur im italienischen Poker (eine spezielle Abart vom Five Card Draw) aktiv. Es ist sein erster Major Event. Qualifiziert hat er sich bei einem Satelite in Rom. Der Römer arbeitet recht erfolgreich als Anlageberater. Er hat eine gemeinsame Liebe mit Dario Minieri: Er zählt sich zu den größten Fans der Fußballmannschaft von AS Rom. In diesem Klassefeld dürften Genovese aber nicht mehr als Außenseiterchancen einzuräumen sein.

William Thorson, 25, Varberg, Schweden - 418.000 Chips William Thorson ist einer der bekanntesten Spieler der EPT. Mit seiner furchtlosen Einstellung und scharfen Zunge kann er jeden am Tisch einschüchtern und dabei selbst noch ein großes Grinsen im Gesicht tragen. Er war der Final-Table-Bubbleboy beim diesjährigen PokerStars Caribbean Adventure, saß zuvor aber bereits zweimal am Final Table, beispielsweise beim dritten Platz in Dublin in der Vorsaison. Zudem erreichte William beim Main Event der WSOP 2006 einen ausgezeichneten 13.Platz und bekam hierfür 907.000 $. Online konzentriert sich William auf Omaha-Cashgames, bevorzugt aber das Livespiel. Neben dem Poker reitet William gern und sein Vater besitzt einige Pferde in Schweden.

Eric Koskas, 35, Marseille, Frankreich - PokerStars-Qualifikant - 449.000 Chips Der Franzose gehört zu den Paradiesvögeln in der Pokerszene. Wo er am Tisch Platz nimmt, sind Action und Unterhaltung garantiert. Der 35-Jährige gilt als europäische Antwort auf Mike "The Mouth" Matusow. Er ist berüchtigt dafür, seine Gegner in Grund und Boden zu quatschen. Auch wenn er etliche Turniererfolge vorweisen kann, sitzt er zum ersten Mal an einem Finaltisch der European Poker Tour. In seiner Freizeit widmet sich der Pokerprofi seiner Frau Julie und seiner 17 Monate alten Tochter Lea-Marie.

Jason Mercier (Foto rechts), 21, Fort Lauderdale, Florida, PokerStars-Qualifikant - 1.591.000 Chips Der Grübler am Tisch. Ehe sich der 21-jährige US-Amerikaner zu einer Entscheidung durchringt, müssen seine Gegner viel Geduld beweisen. Für den jungen Mann aus Florida ist dies erst das zweite Liveturnier seines Lebens. Er hat sich über die Steps bei PokerStars für San Remo qualifiziert. Ursprünglich wollte Mercier Mathematiklehrer werden. Während dieser Zeit beschäftige er sich intensiv mit Onlinepoker und brach nach drei Jahren das Studium ab. So langsam er am Pokertisch wirkt, abseits des Tisches liebt er ein ausgesprochen schnelles Spiel: Basketball. Da er in Fort Lauderdale lebt, sind die Miami Heats sein Lieblingsteam. Selbst einmal ein guter Spieler, trainiert er das Basketball-Team an der Oberschule, wo er selbst sein Abitur machte.

Antony Lellouche, 28, Paris, Frankreich - 1.192.000 Chips Der Franzose ist bereits seit 9 Jahren Pokerprofi und seitdem überall auf der Welt ein respektierter Gegner in allen High-Stakes-Runden. Der 28-Jährige aus Paris hat bei der EPT schon einige Erfolge zu verzeichnen. Bei den Grand Finals 2005 und 2007 erreichte er die Plätze zwölf und 21. Zuletzt belegte er beim EPT-Turnier in London den sechsten Rang.

Dario Minieri, 23, Team PokerStars Pro, Italy - 1,832,000 Chips Dario Minieri kommt ursprünglich wie viele andere Pokerspieler ebenfalls aus der Magic-Szene. Während eines Magic-Turniers wurde Dario zum ersten Mal mit Online Poker konfrontiert und schnell lernte der junge Römer die Feinheiten des Spiels. Mittlerweile gehört der Dario Minieri wohl zu den bekanntesten Spielern. Nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa. Minieri ist heißer Fan vom Fußballverein AS Rom und trägt als Markenzeichen auch permanent den gelbroten Schal seines Lieblingsclubs. Nicht nur, weil er mit den meisten Chips ins Rennen geht, gilt er als Top-Favorit auf den Sieg.

Dag Palovic, 33, Bratislava, Slowakei - 585.000 Chips Der Slowake ist Scheinwerferlicht gewohnt. Schon als Kind wirkte er in slowakischen TV-Serien mit. Nach der Schule studierte er in Prag, in Brüssel und Wien. Die Nähe seiner Heimatstadt Bratislava bringt es mit sich, dass er auch perfekt Deutsch spricht. Mit dem Pokerspiel begann er vor drei Jahren. Im Dezember 2007 belegte er bei der EPT in Prag den siebten Platz, wofür er 93.600 € erhielt.

Marcus Bower, 24, Pennsylvania, USA - PokerStars-Qualifikant - 278.000 Chips Marcus 'Allin2k5' Bower sitzt zum ersten Mal an einem EPT-Finaltisch und es ist sein bis dato mit Abstand größer Erfolg. Obwohl Shortstack des heutigen Tages, ist der Amerikaner mit italienischer Abstammung zuversichtlich, mehr als Platz acht zu erreichen und spielt sogar voll auf Sieg. Marcus plant, einen großen Teil seines Gewinnes der Charity-Organisation "Physicians for Humanity" seines Bruders zu spenden. Diese Organisation hilft benachteiligten Kindern, die bzw. deren Eltern sich keine private Krankenversorgung leisten können. Marcus spielt erst seit vier Jahren Poker - hauptsächlich Razz und NLHE - sowohl Online als auch in Casinos. Er spielt selten Turniere. Er wurde zum Pro, nachdem er die Schule verlassen hatte, denkt aber weiter daran, aufs College zu gehen und Medienkommunikation zu studieren. Er hat sich über die PokerStars-Steps qualifiziert. Dabei hatte er morgens angefangen und war abends qualifiziert!

Als um 14.00 Uhr die Tore des Casinos geöffnet werden, strömen die Fans von Pokerstars Pro Dario Minieri bereits zahlreich hinein um sich die besten Plätze zu sichern. Fahnen und Plakate haben sie dabei und auch Tröten und Rasseln. Einige haben sich die Gesichter grün-weiß-rot bemalt. Ich habe schon etliche Pokerturniere besucht, aber einen derartigen Enthusiasmus habe ich vorher noch nie gesehen. Und als gegen 15.oo Uhr der Turnierdirektor Thomas Kremser allen Spielern viel Glück wünscht und sein legendäres "Shuffle up and deal" über das Mikrophon verkündet, da stehen die Fans von Dario Minieri in der Tat in 8er Reihen um den Final Table. Es herrscht eine grandiose Stimmung und ansatzweise kann man erahnen, was in Italien los gewesen sein muss als sie vor knapp 2 Jahren den Fußball-Weltmeistertitel holten.

Auch wir Kommentatoren sind sehr gespannt und freuen uns auf unseren Job. Wir sind auf einen langen Arbeitstag eingerichtet, denn nur zu gut haben wir noch alle in Erinnerung, wie wir beim letzten EPT Final Table in Kopenhagen von den Spielern regelrecht "gefoltert" wurden und knapp 12 Stunden lang die Action für die Zuschauer begleiteten. Aber bei der heutigen Tischkonstellation und der Atmosphäre im Zuschauerraum hätte vermutlich keiner etwas dagegen, wenn es wieder ähnlich lange ginge und es geht auch gleich vielversprechend los, als es direkt in der allerersten Hand zwischen Eric Koskas und Dario Minieri zu einer All-in Situation des Franzosen kommt. Minieri überlegt lange, ob er callen soll oder nicht und wird von Koskas in einen sehr amüsanten Table-Talk verwickelt. Gefühlte 10 Minuten vergehen, bis Dario Minieri dann letztendlich seine Hand passt. Sollte es in diesem Tempo weitergehen, so werden die Jungs den Rekord für den längsten Final Table sicher ganz locker brechen, denn im Verhältnis zu den Blinds haben sie fast durch die Bank sehr viele Chips.

Dann geht es jedoch Schlag auf Schlag und ein wahres Feuerwerk wird abgebrannt! Zunächst erwischt es Marcus Bower, als er mit einem Paar 4er seine Chips in die Mitte schiebt und vom Franzosen Anthony Lellouche mit AJ gecalled wird. Ein As am River besiegelt das Aus des US-Amerikaners und erhält für seinen achten Platz 76.700 €. Keine 15 Minuten später called Dario Minieri ein Raise des Slowaken Palovic. Der Flop kommt 632, Minieri checked und als Palovic sein All-in verkündet, steht Minieri umgehend auf und called innerhalb von nur Millisekunden. Er hatte einen Drilling geflopt (33) und Palovic (QQ) würde eine dritte Dame benötigen um weiterhin im Turnier zu verbleiben. Aber keine Hilfe am Turn und River für den sympathischen Slowaken und er wird Siebter und kassiert 111.800 €. Die Stimmung ist nun am Höhepunkt und die italienischen Fans kurz vorm Ausflippen. Zum ersten Mal in meiner knapp 4-jährigen Kommentatorenzeit laufen heiße und kalte Schauer über meinen Rücken und ich habe fast permanent Gänsehaut. Was würde erst passieren, wenn Minieri das Turnier tatsächlich gewinnen sollte? Mir wird Angst und Bange um das ehrwürdige Casino, aber insgeheim wünsche ich mir, dass es so kommen möge.

Gute 20 Minuten später läuft dann William Thorson mit AQ in AK seines Kontrahenten Mercier. Die Chips gehen in die Mitte und als dann bereits am Flop ein K aufgedeckt wird, sieht es sehr schlecht für den Schweden aus. Bereits am Turn hat er keine Chance mehr und er belegt einen guten 6.Platz, immerhin bereits satte 140.600 € wert.

Wiederum nur knapp eine halbe Stunde später dann der erste Dämpfer für die heißblütigen italienischen Fans, als ihr zweites Pferd Gregory Genovese von Jason Mercier eliminiert wird. Genovese feiert den bislang größten Erfolg seiner noch jungen Pokerkarriere und kassiert für den 5.Platz 188.500 €. Zu diesem Zeitpunkt sind erst knapp 2 Stunden gespielt.

Genovese war gerade aufgestanden, da entstand eine Hand, die dem Franzosen Koskas sicherlich noch die eine oder andere schlaflose Nacht bereitet hat. Mercier hatte UTG geraised und Eric im Big Blind gecalled. Der Flop kam J65 Rainbow und beide Spieler checkten. Turnkarte war eine 8 und nun setzte Koskas 220.000 Chips an. Mercier überlegte ein bißchen und callte dann den Einsatz des Franzosen. Riverkarte war eine weitere 8 und nun ging Koskas direkt mit seinen restlichen Chips All-in. Jetzt überlegte der US-Amerikaner mehrere Minuten, macht dann aber (mit einigen Bauchschmerzen verbunden, so gibt er später zu Protokoll) den Call. Beide Spieler verweigern zunächst ihre Hand zu zeigen, aber dann fordert Thomas Kremser zunächst den Franzosen auf sein Blatt aufzudecken. Er zeigt T3, hat einen Riesenbluff rausgehauen und ist dabei erwischt worden. Noch überraschter waren aber etliche Experten, als sie die Hand von Mercier zu Gesicht bekamen, denn er zeigt 95s. Mit lediglich einer getroffenen 5 hat er einen Großteil seiner Chips für den Call riskiert und ist für sein Gefühl, den Franzosen beim Bluffen zu erwischen, belohnt worden. Riskant und mutig, aber im Nachhinein natürlich genial! Eric Koskas erhält für seinen vierten Platz und die ausgezeichnete Turnierperformance 223.600 €.

Da waren es nur noch 3 - und zum ersten Mal übernimmt Jason Mercier die Führung im Gesamtklassement. Direkt eine Hand später kommt es zum ultimativen Höhepunkt (zumindest aus emotionaler Sicht) des gesamten Turniers. Dario Minieri erhöht aus vorderer Position auf 100.000 und Mercier erhöht aus dem Small Blind heraus auf 340.000. Lellouche paßt, aber Minieri called und beiden sehen den Flop, der 872 mit 2 Karos kommt. Mercier checked und der junge Römer setzt 400.000 Chips an. Nun annonciert Mercier seinerseits einen check-raise All-in und Minieri wiederum called innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde. Minieri hält ein Paar Q's und Mercier zeigt A4 von Karo für den Flush-draw mit einer Overcard. Prozentual liegt der Italiener mit knapp 53% leicht vor dem Amerikaner mit 47%, aber Mercier hält leicht mehr Chips und ein weiterer Karo oder ein As würde das Aus für Minieri bedeuten. Turnkarte ist eine 4 und gibt Mercier zusätzlich noch einmal 2 Outs. Die Stimmung ist jetzt am absoluten Siedepunkt....und wenn der Croupier jetzt keinen Karo, kein As und keine 4 umdreht, dann würden die Aufschreie der italienischen Fans vermutlich noch im 30 Kilometer entfernten Monte Carlo zu hören sein, aber als dann am River die Karo 3 erscheint, ist es wie ein Schlag in den Unterleib und die Emotionen sind von jetzt auf gleich auf dem absoluten Nullpunkt. Mercier komplettiert seinen Flush und Dario Minieri ist ausgeschieden. Nicht wenige der Fans brechen in Tränen aus und auch ich muss ein paar Mal tief schlucken und bin für ein paar Sekunden wie paralysiert. Dario erhält für seinen dritten Platz einen Scheck in Höhe von 287.600 €.

Aber das Feuerwerk ist noch nicht abgebrannt. Obwohl der Franzose Lellouche mit einem 5:1 Chipnachteil ins Heads-Up gegen den nun vor Selbstbewußtsein strotzenden Mercier geht, so trauen ihm nicht wenige zu, dass er das Ruder noch rumreißen kann, denn er hat wesentlich mehr Erfahrung als sein Kontrahent und zudem auch noch ausreichend Chips um auf seine sich bietenden Chancen zu warten. Aber direkt in der ersten Hand dieses Duells fliegen die Chips wiederum bereits vor dem Flop in die Mitte. Während Lellouche ein Paar 7er hält, so deckt Mercier KQ auf und erneut entscheidet eine Coinflip-Situation. Direkt am Flop, der AQ4 herunterkommt, geht Mercier in Führung und jetzt kann Lellouche nur noch eine 7 retten oder der Turniersieg geht einmal mehr in die USA. Turnkarte 8, Riverkarte 2 und die Messe ist gelesen und mit Jason Mercier haben wir zwar einen sehr glücklichen, aber zweifelsohne verdienten Sieger des EPT Turniers in San Remo. Während Anthony Lellouche immerhin prächtige 505.000 € mit nach Paris nehmen darf, so erhält Jason Mercier aus Fort Lauderdale, Florida, USA anschließend den Siegerpokal sowie einen Scheck in Höhe von 869.000 €.

Der Final Table hat insgesamt nicht einmal 3 Stunden gedauert (EPT Kurzzeit-Rekord), aber es waren verdammt heiße, schöne und vor allen Dingen sehr emotionale 3 Stunden. Nicht nur für die Spieler, sondern auch für alle Zuschauer und Beteiligten. Und alle, die in diesem Jahr in San Remo mit dabei waren, werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch im nächsten Jahr hierher kommen, denn es war unter dem Strich ein sehr gelungenes und einmal mehr bestens organisiertes Turnier.

PT San Remo, Italien vom 1.-5.4.2008


Buy-In: 5.000,- €; 700 Teilnehmer; Preispool: 3.195.860,- €





Platz

Name

Land

1.

Jason Mercier

USA

869.000,-

2.

Antony Lellouche

Frankreich

505.000,-

3.

Dario Minieri

Italien

287.600,-

4.

Eric Koskas

Frankreich

223.600,-

5.

Gregory Genovese

Italien

188.500,-

6.

William Thorson

Schweden

140.600,-

7.

Dag Palovic

Slowakei

111.800,-

8.

Marcus Bower

USA

76.700,-

9.

Johannes Strassmann

D

46.300,-

14.

Henrik Brockmann

D

22.400,-

16.

Jan Heitmann

D

17.600,-

21.

Markus Golser

Österreich

16.000,-




















Nicht nur auf der Skipiste ein As, sondern auch am Pokertisch ...der mehrmalige Olympiasieger Alberto Tomba





















Der absolute Publikumsliebling Dario Minieri














Macht mal einen Doppeliklick auf das Foto und schaut in die Gesichtsausdrücke der Fans. Dann könnt ihr euch in etwa vorstellen, was hier los war!!!




















Jason Mercier mit Siegerhand, Pokal und ein wenig Wechselgeld


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