Donnerstag, März 23, 2006

Eurosport 23.3.2006

Dezember 2004
Kurz vor Weihnachten 2004 erhielt ich über www.pokerstars.com, einem der Online-Portale, wo ich spiele, eine e-Mail mit der Information, dass auf Eurosport zukünftig die European Poker Tour ausgestrahlt würde. Na, das war doch mal eine gute Nachricht, denn noch nie vorher hatte es im deutschen Fernsehen Pokerübertragungen gegeben. In den USA gab es bereits seinerzeit fast täglich mehrere Sendungen auf ESPN oder anderen Kanälen.
Im letzten Absatz dieser e-Mail von Pokerstars kam dann noch zu der Zusatz, dass man für die einzelnen Länder noch Co-Kommentatoren suche und das man sich hierfür gern bewerben könne.
Oh, dachte ich mir, das wäre doch mal eine interessante Aufgabe und wieso bewirbst du dich nicht einfach mal aus Spaß. Gesagt - getan und ich schickte eine e-Mail inkl. Lebenslauf, Pokererfahrungen und allem, was dazu gehört, retour.
Am nächsten Morgen bereits erhielt ich einen Anruf von Eurosport. Es war der Sportchef des Senders und er quetschte mich ca. 45 Minuten lang über Gott und die Welt aus. Da ich ein paar Jahre in Vegas gelebt hatte, konnte ich ihm natürlich auch die eine oder andere lustige Geschichte bzw. nette Erlebnisse berichten.
Er teilte mir abschließend mit, dass noch 2-3 weitere Kandidaten in der engeren Wahl seien, aber das es gar nicht so schlecht aussähe für mich, da ich der einzige Kandidat sei, der reines hochdeutsch spräche.
Und in der Tat erhielt ich weitere 2 Tage die Zusage für den Job. Man wolle es zumindest für ein paar Sendungen mit mir probieren. Jetzt erst begriff ich, auf was ich mich eingelassen hatte. Übers Fernsehen kommentieren und ein paar Hundertausend hören zu. Oh Gott !
Na ja, ich hatte nicht lange Zeit darüber nachzudenken, denn die erste Sendung sollte bereits gut 2 Wochen später stattfinden. Ich hatte es mir zu Beginn so vorgestellt, dass wir irgendwo in einem Studio sitzen, das fertige Tape eingespielt würde (die Turniere habe ja allesamt bereits einige Wochen/Monate vorher stattgefunden) und wir dann unseren Senf dazu geben würden. Wenn wir dann mal einen Versprecher haben würden, dann würde irgendein Aufnahmeleiter "Cut" rufen und wir würden es nochmals besprechen.
Aber nein, meine Vorstellungen hatten nichts mit der Realität zu tun. Mit wurde mitgeteilt, dass ich am 14.1.2005 um 20.oo Uhr in Berlin im Studio Babelsberg zu sein hätte. Die Sendung würde um 22.oo Uhr beginnen und wir würden "Live" auf das Tape kommentieren! Oh nein, Live kommentieren - das Herz rutschte weitere 10 Zentimeter gen Buchse.
Na gut, dachte ich mir, dass kriege ich auch noch hin. Ich fragte den Sportchef, wann ich denn das Tape zugesendet bekommen würde, damit ich mich ein bißchen vorbereiten könne. "Das kriegen wir aus zeitlichen Gründen leider nicht hin", kam es aber leider als Antwort und nun war es wirklich um mich geschehen. Ich sollte Live kommentieren auf irgendwelche Bilder, die ich vorher nie gesehen hatte.
Wir sprechen hier nicht über ein zu kommentierendes Fußballspiel, wo die Bilder relativ einfach zu interpretieren sind und wo ich nicht nur die Spieler, sondern auch deren Lebensgeschichte und Vergangenheit bei guter Vorbereitung relativ gut kenne. Wir sprechen über Poker, wo die einzelnen Handkonstellationen doch recht komplex sind (Größe der Blinds, Position der Spieler, Image am Tisch, etc) und wo Leute am Final Table sitzen, deren Namen ich teilweise noch niemals vorher in meinem Leben gehört hatte. Na klar kenne ich Spieler wie Marcel Luske, Ram Vaswani oder den Devilfish, aber es ist unmöglich Spieler aus Schweden, Finnland oder England zu kennen, die vorher noch niemals in ihrem Leben ein Live-Turnier gespielt haben und sich irgendwo Online qualifiziert haben.
Auch über das Internet kommt man hier sehr schlecht bis gar nicht an irgendwelche brauchbaren Informationen ran. IMPROVISIEREN hieß also das Schlagwort und ich dachte mir, dass ich das schon irgendwie hinkriegen würde. Weit gefehlt, kann ich nur sagen. Die ersten 2-3 Sendungen waren kommentartechnisch eine einzige Katastrophe.
Neben kleinen Versprechern, die kommen halt vor, bin ich von der Schnelligkeit der Bildfolge absolut überwältigt worden und habe das eine oder andere Mal den Faden verloren. Da du zudem einen Kopfhörer auf hast, wo die Anweisungen der Sendezentrale in verschiedenen Sprachen eingesagt werden (jede kleine Trailer und jede Werbepause wird mit einem Countdown angekündigt), war alles sehr stark gewöhnungsbedürftig.
Ich wurde vor den anstehenden Sendungen im letzten Jahr zunehmend nervöser, aber versuchte mich auf der andeen Seite über das Internet immer besser vorzubereiten. Und in der Tat klappte es von Sendung zu Sendung besser und mit Kopenhagen und Deauville waren sogar 2 Sendungen dabei, wo ich nach Sendungsende mit mir selbst einigermaßen zufrieden war.
Mittlerweile ist es aus Kommentatorensicht sogar noch ein wenig einfacher geworden, denn über verschiedene Internetblogs kann man zumindest den Final Table Hand für Hand nachspielen und man ist daher vor Überraschungen einigermaßen gefeit.

Ein großes Lob möchte ich auch meinem "Hauptkommentator" Frank Winkler aussprechen, der von Eurosport aus zu Poker genauso wie die Jungfrau zum Kinde kam wie ich als Co-Kommentator. Er hat sich in den ersten Monaten sehr intensiv mit dem Spiel beschäftigt (Theorie & Praxis), so dass er mir kaum Anlass zum Korrigieren von irgendwelchen Äußerungen gab. Frank war übrigens in den 80er Jahren der wohl beste deutsche Volleyball-Spieler und verdiente sein Geld als Profi in mehreren europäischen Ländern. Er ist sehr intelligent und hat meines Erachtens eine unheimlich hohe Auffassungsgabe. Pokertechnsich harmonieren wir mittlerweile recht ordentlich und auch unser mittlerweile zum Standard gehörendes Abendessen beim Italiener vor jeder Sendung ist immer sehr kurzweilig.

Die Zukunft von Eurosport und Poker hängt einzig und allein von den Einschaltquoten ab. Solange diese stimmen, wird es dort auch weiterhin laufen. Da wir mittlerweile aber nicht mehr allein auf dem Markt sind und DSF nicht nur auch auf den Zug aufgesprungen ist, sondern sogar noch viel intensiver, sind unsere Quoten derzeit leicht rückläufig. Wollen wir hoffen, dass sich dies recht bald ändern wird, denn es wäre schade, wenn sich dieses schöne Spiel medientechnisch in Deutschland nicht durchsetzen würde.

Bis die Tage
Martin

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