Donnerstag, Oktober 08, 2015

Las Vegas Sommer 2015 ...das Main-Event (Teil 2)

Nachdem ich den ersten Tag der WSOP 2015 solide mit 34.250 Chips überstanden hatte, konnte ich den anschließenden Ruhetag wirklich effektiv dazu nutzen, meinen Akku voll zu laden. Denn ich hatte vor Spieltag 1 zugegebenermaßen wirklich schlecht und recht unruhig geschlafen, was sicher auch zum allergrößten Teil der Aufregung zuzuschreiben war. Gegen Ende des Tages, also im 5. Level und nach 12 Stunden vollster Konzentration, habe ich zudem gemerkt, dass ich recht müde wurde. So ein langer Spieltag ist absolut nicht zu unterschätzen. Dies sollte und durfte mir an Tag zwei nicht wieder passieren, wenn meine Reise eben noch weiter gehen sollte und ich zumindest das Minimalziel - nämlich ins Preisgeld zu kommen - erreichen wollte. 

Ich verbrachte am freien Tag ein paar Stunden am Pool im Palms Hotel und ließ die Seele baumeln. Am frühen Abend ging ich dann nochmals rüber ins Rio um ein paar Freunde zu unterstützen, die an Spieltag 1c ins Rennen gingen. Generell würde ich übrigens allen den Tipp geben, Spieltag 1a oder 1b zu wählen, denn dieser zusätzliche freie Tag zwischendurch ist schon ganz nett und nützlich…vor allen Dingen, wenn die Mission WSOP etliche Tage dauern soll.

Abends bin ich dann recht früh ins Bett und habe dann auch wie ein junges Baby 8 Stunden tief und fest geschlafen. Morgens nach einem guten und reichhaltigen Frühstücksbuffet (8$!) in der gegenüberliegenden Gold Coast und nach einem weiteren Stündchen des Entspannens am Pool im Palms Hotel, bin ich dann zusammen mit Chris Moneymaker ins Rio Casino gefahren. Chris Moneymaker…? Ja, ich kannte Chris natürlich bereits von vielen gemeinsamen EPTLive-Kommentier-Sessions und tags zuvor hatte ich auch noch ein hartes Duell am Kickertisch gegen ihn. Im Doppel mit Suat hatte der Poker-Weltmeister von 2003 mit Dirk zusammen jedoch keine Chance gegen Suat und mich und wir haben die beiden mit 6:1, 6:1 regelrecht zerlegt.

Suat Türker (links, ehemaliger Fußball-Bundesligaspieler) und ich waren im Doppel eine Macht am Kickertisch. Auch Chris Moneymaker und Dirk mussten unsere Stärke neidlos anerkennen.
Chris fragte mich morgens am Pool, ob er mich dann später mitnehmen solle ins Rio. Er hatte ein Auto vor Ort. Und obwohl das Rio nur 500m Luftlinie vom Palms entfernt liegt, nahm ich sein Angebot natürlich gern an. Zum einen kann der lucky Charme eines Weltmeisters ja definitiv nicht schaden und zum anderen kann selbst ein Fußmarsch von nur einem halben Kilometer bei 45 Grad im Schatten schon ein wenig strapaziös sein und ein paar wichtige Körner kosten!

Viertel vor 12 Uhr kam ich dann mit Chris Moneymaker im Rio an. Schnell noch eine letzte Zigarette und dann machte ich mich auf den Weg zu meinem Platz im Brasilia room. Ich hatte dieses Mal Seat 5 bei der Auslosung erhalten…mein absoluter Lieblingsplatz am Tisch. Zum einen hat man von dort alle Spieler recht gut im Blick, aber der Hauptgrund für diesen favorisierten Platz liegt darin, dass ich hier die Boards optimal lesen kann ohne Brille. Auf Platz 2 am Vortag hatte ich speziell im letzten Level auch schon mal leichte Schwierigkeiten Kreuz von Pik zu unterscheiden und ich musste mich ab und an nach vorn beugen um die Flushgefahr am River zu erkennen (aus Gründen der Eitelkeit hatte ich meine Brille nicht immer aufgesetzt, obwohl ich sie mit hatte)!
Zudem hatte man an Tag 2 auch den Vorteil, dass man sich über seine Gegner informieren konnte. Denn irgendwann gegen Mitternacht stand die Tischauslosung für Tag zwei fest. Klar hatten die Kontrahenten die gleichen Voraussetzungen und konnten sich ebenfalls informieren. Aber bedingt durch meinen Job wusste ich natürlich, wie und wo man effektiv viele wichtige Pokerfakten über jemanden im Internet findet. Vielen Dank an dieser Stelle auch an Burkhard, der sich ebenfalls die Mühe gemacht hat, Informationen über meine 8 Gegner zu sammeln. Ab Tag zwei wird übrigens nur noch mit 9 Spielern am Tisch gespielt.
Das Ergebnis der Recherche ergab, dass ich auf der einen Seite zwar wiederum keinen der namhaften Top-Profis mit bei mir am Tisch hatte. Auf der anderen Seite war es jedoch auch etwas ernüchternd, da nur ein einziger Spieler dabei war, der vermeintlich ein lupenreiner Amateur war. Alle anderen hatten schon sehr auffällige Einträge in den diversen Datenbanken aufzuweisen und schienen aufgrund der Regelmäßigkeit an Turniererfolgen Pokerprofis zu sein.
  

Meine Gegner an Tag 2b. Mit dem Spieler im roten Shirt (Don Blum) bin ich mittlerweile befreundet und ihn könnt ihr auch bei den WSOP-Folgen 5 und 6 auf ESPN sehen, wo er mit Daniel Negreanu zusammen am Feature Table sitzt. Seine WSOP-Reise ging sehr weit! Von mir hat er jedoch keine Chips bekommen!

Auch an Tag zwei war ich zu Beginn recht angespannt und zugegebenermaßen auch ein wenig nervös, aber wie an meinem Starttag war die Nervösität abermals nach der allerersten Hand mehr oder weniger komplett gewichen. Ob es ein besonderes Omen war oder aber reiner Zufall, aber wie an Spieltag Nr. 1 bekam ich gleich in der allerersten Hand Pocket Zehner ausgeteilt und mit einem Raise konnte ich Blinds und Antes einsammeln. 
Ich merkte allerdings bereits in der ersten Stunde, dass meine Gegner wesentlich taffer waren als die von Tag eins und dass es definitiv kein Zuckerschlecken würde. Irgendwie konnte ich keinen Fisch am Tisch ausmachen und natürlich fiel mir sofort der alte Pokerspruch ein: „Wenn du keinen Fisch am ausmachen kannst, dann bist du es selbst!“. Aber dem war ganz sicher nicht so…! Ich konnte nämlich auch registrieren, dass die Gegner mir gegenüber nicht nur Respekt aufbrachten, sondern dass quasi ausnahmslos bei allen auch die Angst, aus dem Turnier auszuscheiden, eine große Rolle spielte und dies bei dem einen oder anderen quasi auch auf der Stirn geschrieben stand. Ich will mich da selbst auch gar nicht ausschließen. Hilfreich für mein Image am Tisch war sicherlich zudem, dass George Danzer ab und an vorbeischaute und mir über die Schulter schaute. Ihn kannten natürlich alle und wenn der WSOP Player of the year 2014 mit mir befreundet ist, dann musste ich offenkundig aus dem gleichen Stall kommen und ein nicht zu unterschätzender Spieler sein.
Ich bekam weiterhin solide und mittelgute Startkarten und es gelang mir recht schnell, meinen Stack auf knapp 50.000 Chips aufzubauen. Dann jedoch der erste Rückschlag! Der einzige Amateur am Tisch, der Spieler auf Platz 8, ging mit seinen letzten knapp 10.000 aus mittlerer Position Chips All-In. Die Blinds lagen im ersten Level bei 250/500 und einer Ante von 50. Er ging also mit umgerechnet knapp 20 Big Blinds All-In. Es war glaube ich sogar die allererste Hand, die der Sportsfreund an dem Tag überhaupt spielte und es waren ja immerhin bereits knapp 1,5 Stunden rum. 
Nun ja, alle anderen passten, ich saß im Big Blind und fand Pocket 7er. Mein erster Gedanke war, dass er hier ganz sicher AK oder AQ hält. Mit großen Pocket Paaren (AA, KK, QQ) hätte er hier vermutlich noch standardmäßig auf das 3-fache des Big Blinds geraised und kleine Pocketpaare (< 77) hätte er vermutlich gar nicht gespielt in seiner Situation. Er konnte natürlich auch sehr gut Paare von 88-JJ haben. Ich glaube, dass hier ein Fold mit 7ern die vermeintlich korrekte und in jedem Fall bessere Entscheidung gewesen wäre, aber irgendwie war ich wohl ein wenig zu euphorisch und ich machte den Call. Und in der Tat zeigte er mir AK…mein Bauchgefühl passte zumindest. Mein erster Coinflip der WSOP 2015, wenngleich mein Turnierleben hierbei auch nicht auf der Line stand. Aber jetzt könnte ich den ersten Spieler nach Hause schicken! Der Flop brachte jedoch sofort zwei Könige für meinen Gegner, keine Hilfe für mich am Turn wie River und ich doppelte den Kollegen auf. Ich war wieder runter auf 39.000 Chips. Anschließend konnte ich noch 2-3 Mal die Blinds aufsammeln, so dass ich mit knapp 47.000 Chips und hochzufrieden in die erste break ging.
In der Pause dann kurzes Fachsimpeln mit Jan und George, die beide ebenfalls einen guten Start in den Tag hatten, zudem ein kurzes Interview mit Jens Knossalla für den WSOP-Videoblog auf dem Youtube-Kanal bei PokerStarsDE…hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=Hlvk6s0PsRs

Auf ging es dann in das zweite Level. Blinds nun bei 300/600 und 75 Ante. Ich hatte umgerechnet also noch knapp 80 Big Blinds und es gab keinerlei Anlass zur Beunruhigung. Immerhin lag ich etwa im Durchschnittsbereich mit meinen Chips. In diesem zweiten Tagesintervall war ich recht kartentot und es passierte nicht sehr viel. Durch 2 Steals (Anm. für die Nicht-Pokerexperten…das bedeutet das Klauen der Blinds) konnte ich meinen Stack dennoch knapp halten, bis es kurz vor Ende des Levels folgende Hand gab.

Und diese Hand sollte alles, aber nun wirklich auch komplett alles(!), bei uns am Tisch verändern für den weiteren Verlauf des Tages. Der Spieler auf Platz 1, den ich im Übrigen für den stärksten bei uns am Tisch hielt, raiste aus mittlerer Position auf 1.500, also das 2,5-fache des Big Blinds. Hinter ihm passten alle und nur Doug im Small Blind rechts neben mir callte. Ich schaute in meine Karten und fand Pocket Queens! Doug hatte in etwa gleich viele Chips wie ich, während der Open Raiser auf Seat Nr. 1 insgesamt lediglich knapp 20.000 Chips vor sich stehen hatte vor der Hand. Ich machte nun ein Reraise auf 4.800. Doug’s Hand im Small Blind konnte normalerweise nicht sonderlich stark sein, wenn er hier nur callte und mit meiner recht hohen 3-bet wollte ich mich irgendwie binden, falls der Spieler auf Platz 1 nun All-In gehen sollte. Und genau diesen Move packte er auch aus nach kurzer Phase des Überlegens. Doug passte sehr schnell und fast genauso schnell machte ich den Call. Ich war mir fast sicher, dass er hier nicht 9er oder schlechter haben konnte und damit sein Turnierleben riskieren würde gegen jemanden wie mich, der bislang auch einigermaßen konservativ gespielt hatte. Gehofft hatte ich auf Zehner oder Buben, gerechnet irgendwie mit AK, aber natürlich hatte ich auch ganz leise Befürchtungen in Asse oder Könige zu laufen. Meine Hoffnung sowie auch mein Bauchgefühl passte dieses Mal nicht, denn er zeigte genau einer der Hände, die ich befürchtet habe und gegen die ich meilenweit hinten lag. Er zeigte mir nämlich Asse!

Und es kam noch schlimmer…nicht nur, dass er auch die beiden Spielfarben abdeckte und ich somit mit einem Zufallsflush ebenfalls nicht gewinnen konnte, sondern ich hörte Doug auch zu seinem Nachbarn zur rechten murmeln, dass er QT gefoldet habe. Ich war also auf eine einzelne Dame im Deck reduziert, wenn ich mir nicht irgendwie eine Straße basteln würde. Die Hoffnung auf eine Straße erledigte sich jedoch bereits mit dem 832 Flop. Auch am Turn nicht das erhoffte Wunder. Ich hatte das Ding bereits abgeschrieben, denn in solchen Situationen habe ich generell nie Glück. Im Geiste hatte ich mich also bereits mit dem neuen Stack von knapp unter 30.000 vertraut gemacht. Dann drehte die Dealerin die letzte Karte um…ganz langsam. Herz Dame! Diese Karte ist und war auch schon vorher meine absolute Lieblingskarte im Deck (kein Scherz!), aber noch nie zuvor war sie so effektiv für mich und so überaus schön erotisch anzuschauen wie jetzt in diesem Augenblick. Ich sah, wie mein Gegner kurz zusammenzuckte. Als wenn er an einen mit Starkstrom gefüllten Stacheldrahtzaun gepackt hätte. Er drehte sich um und verschwand ohne ein Wort zu sagen. Und natürlich kann ich seine Enttäuschung, vielleicht gar Wut, absolut nachvollziehen.

Irgendwie tat er mir sogar ein wenig leid, aber in diesem Moment war keine Zeit für Emotionen und es war mir vollkommen egal. Der Dealer brauchte in etwa 3-4 Schaufelbewegungen, bis er mir den Riesenpot zugeschoben hatte und ich danach etwa 5 Minuten, bis ich mit leicht zittriger Hand alle Chips auf 20er Einheiten aufgestackt hatte.  Ich hatte nun knapp 80.000 Chips vor mir stehen und lag mit umgerechnet ca. 130 Big Blinds nicht nur nett über Average, sondern fühlte mich auch absolut top. Körperlich sowie mental. Alles passte und ich war bei uns am Tisch zudem Chipleader zu dieser Phase.
Das wirklich einzige Problem, was ich hatte, war ein reines Luxusproblem. Da mein eliminierter Gegner kurz vor seinem Exitus einige kleine Pötte gewonnen hatte und ich ebenso, hatte ich nach diesem Duell gegen ihn geschätzt fast 80% aller schwarzen (100er) sowie grünen Chips (25er) vom ganzen Tisch vor mir stehen. Es war ein Riesenberg an Chips, der es mir temporär massiv erschwerte, ja sogar fast unmöglich machte, meine beiden Holecards anzuschauen. Ich ärgere mich wirklich sehr, dass ich von dieser Situation kein Foto gemacht habe. Aber dieses Problem war dann auch relativ schnell wieder gelöst, denn in den letzten 10 Minuten des Levels fungierte ich quasi als “Bank of Scotland“ und musste links wie rechts viele größere Chipeinheiten in kleinere umtauschen, damit meine Gegner die Blinds oder Ante legen konnten.
In die Pause ging ich dann nicht nur mit absoluter Toplaune sowie reichlich Euphorie, sondern auch mit 77.000 Chips. Jetzt fragt ihr euch sicherlich, wieso diese beschriebene Hand denn alles am Tisch verändert hat für den Rest des Tages.


PokerStars Team Online-Pro Randy "Nanonoko" Lew gesellte sich ab Level 3 zu uns an den Tisch und mit seinem Erscheinen sollte sich alles verändern. 
Die Antwort ist ganz einfach. Nach der Pause saß nämlich ein neuer Spieler auf dem frei gewordenen Seat Nr. 1. Es war kein geringerer als der US-amerikanische Online-Superstar Randy “nanonoko“ Lew aus dem Team PokerStars-Pro. Wie ich mit ihm sowie mit meiner neuen Rolle als Chipleader am Tisch zu recht kam, dass erfahrt ihr in Teil 3 dieses WSOP-Blogs. Stay tuned…

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