Montag, Juli 04, 2016

Bad Beat Stories & James Woods

„Am Turn setze ich wieder halben Pott und der Idiot am Button called nochmals. Am River trifft der Clown dann seinen 2-Outer und ich bin raus aus dem Turnier“.


So oder zumindest so ähnlich hören sich Auszüge von Bad Beat Stories an und davon habe ich gerade in den letzten Jahren unendlich viele gehört. Wenn man irgendwo an der Rail eines größeren Pokerturniers steht oder in der Lobby eines Casinos, dann kommt man automatisch und zwangsweise in diese Situationen, sich die Geschichten von gerade aus Turnieren ausgeschiedenen Spielern in dutzendfacher Ausfertigung anzuhören. Ob man will oder nicht - man kann sich dagegen nicht wehren. No way out!

Nur recht selten hat sich die geschilderte Situation in der Tat exakt so abgespielt wie der Unglücksrabe die Story berichtet. Sehr häufig werden auch gern mal kleine Details weggelassen oder es wird ein wenig was hinzugedichtet. Da wird die Tatsache vergessen, dass der Gegner mit seiner Option auf den 2-Outer zusätzlich noch einen Flush- und Straightdraw hatte oder unser Unglücksopfer die Asse vor dem Flop geslowplayed hatte. Dies erfährt man dann, wenn man später durch Zufall mit dem “Täter“ spricht, also demjenigen, der quasi für den Bustout gesorgt hat.

Es gibt übrigens drei Arten von Zuhörern.

Der Zuhörer vom Typ A lässt sich die komplette Hand – von der Action preflop bis zum River inkl. der genauen Bet- und Stacksizes inkl. der Blinds– erzählen und reagiert nicht nur extrem verständnisvoll und bekundet gar Mitleid, sondern gibt dem Erzähler zudem sogar noch einige Tipps für zukünftig auftretende ähnliche Situationen. Wer einen Zuhörer vom Typ A erwischt, der darf sich wirklich sehr glücklich schätzen. Denn geteiltes Leid ist bekanntermaßen nur halbes Leid und on TOP bekommt man Fehler, die man ggfs. während der Hand gespielt hat oder permanent in seinem Spiel hat, sogar noch kostenlos korrigiert. Oder – wenn man alles richtig gespielt hat – Sätze wie: „Du willst ja, dass er in der Situation called. Du hast die Hand super gespielt. Da kannst du eben nichts machen - that’s Poker!“

Der Zuhörer vom Typ B hört sich die Geschichte einfach an. Es werden keine großen Gegenfragen gestellt und die Story wird mit Verständnis so hingenommen, wie sie geschildert wird. Eigentlich möchte der Zuhörer vom Typ B nur, dass der Erzähler so schnell wie möglich fertig ist, weil der Zuhörer ins Cashgame einsteigen will oder noch ein anderes Turnier spielen möchte. Nicht aber ohne schnell noch zu kommunizieren, wie er selbst aus dem Turnier ausgeschieden ist. Er dreht den Spieß quasi um. Diese Konstellation ist die am häufigsten anzutreffende Situation.

Ganz zu Beginn meiner Poker-Karriere gehörte ich übrigens zum Zuhörer Typ A. Mit der Zeit bin ich langsam zum Typ B konvertiert. Dies hat ebenfalls für einige Jährchen angehalten. Mittlerweile gehöre ich definitiv zum Typ C Zuhörer!

Der Typ C hat über die Jahre so viele Bad Beats einstecken müssen (oder auch ausgeteilt) und sich so viele Geschichten anhören müssen, dass er mittlerweile für alles in der Richtung immun ist. Er hat 1-Outer en Masse gegen sich bekommen, vermutlich auch mal den einen oder anderen verpasst (oder eben auch LIVE kommentiert), so dass ihn ein getroffenen Bauchschuss oder eine verlorene 70/30 Situation nur noch ein müdes Lächeln abringt. Es fällt ihm nicht mehr ganz so einfach Mitleid zu teilen oder dem Betroffenen gar Trost zu spenden.

Ist was dran, oder? 
Ich versuche es hier und da zu überspielen, aber ehrlich gesagt geht es mir mittlerweile sogar auf die Nüsse, im Detail beschrieben zu bekommen, dass der Idiot von Gegner seine Straße am Turn komplettiert hat und der Erzähler mit seinem Overpair daraufhin aus dem Turnier ausgeschieden ist.

Wir sprechen hier von POKER und nicht vom Schach, wo der Glücksfaktor nun mal nicht oder sagen wir besser kaum involviert ist. GLÜCK gehört beim POKER dazu und somit gehört es auch dazu, dass der Amateur auch mal die passende Karte am Flop, Turn oder River ausgeteilt bekommt, obwohl er eigentlich kein Business hatte überhaupt in dem Pott zu sein. Wenn dies nicht so wäre, dann wäre Poker über die Jahre nicht so populär geworden und selbst die größten Suchtspieler und Vollfische hätten es mittlerweile aufgegeben.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr beim nächsten Turnier auf mich zukommt und mir mitteilt, wie geil es war, als ihr euren Gegner ausgesuckt habt mit einer Wunderkarte! Aber für Bad Beat Storys sucht euch bitte jemand anderen 
J Für ein Freigetränk meiner Wahl hingegen höre ich mir die Geschichte ausnahmsweise an!

Ps.: Nette Geschichte am Rande: 
Vor einigen Jahren in Las Vegas war ich im Rio Hotel bei einem Side-Event der WSOP und stand an der Rail. In diesem Moment kam der Schauspieler und Regisseur James Woods aus der Pokerarea genau in meine Richtung und ich fragte ihn nur belanglos, ob er noch im Turnier sei. Das war ein großer Fehler! James Woods war just Sekunden zuvor ausgeschieden und ich musste mir nun ca. 20 Minuten seine Beschimpfungen anhören. Wie bescheuert und schlecht der Gegner war, seine Bet am Turn zu callen um dann doch das Full-Hose zu machen und ihn zu elimineren. Die 20 Minuten waren ein einziger Dialog. Ich sagte nur ab und an mal "aha" oder "oh my god". James Woods aber behandelte mich als seinen Freund, der vollstes Verständnis für das gerade Geschehene aufbrachte und sehr gut mitfühlen konnte,. Leider gibt es keine Fotos davon!

Ps1: 
Als ich letztes Jahr aus dem Main-Event der WSOP ausgeschieden war, habe ich meine Bad Beat Story (war ja noch nicht einmal ein Bad Beat, er hatte einfach die bessere Hand mit AJ gegenüber meinem KJ auf einem JJ5 74 Board) auch jedem aufs Auge/Ohr gedrückt, der sie hören wollte...oder auch nicht hören wollte!

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▪  Hi Potti, wie geht es dir? ▪  Hallo Herr Pott, Sie kennen sich doch in der Pokerszene ganz gut aus. ▪ Potti, d arf ich dich was fragen? ...