Freitag, November 30, 2018

Potti in Vegas am & im Limit (Teil 4)


Der letzte Blogeintrag ist nun 9 Monate her. Ich könnte hier jetzt schreiben, dass ich eine schöpferische Pause brauchte oder dass ich arbeitstechnisch viel um die Ohren hatte. Stimmt vielleicht sogar ansatzweise, aber der Hauptgrund ist, dass ich einfach keine Lust hatte zu schreiben. Mehrfach zwischendurch hatte ich wieder angesetzt, aber es lief einfach nicht flüssig beim Schreiben. Das kann vermutlich sowieso nur derjenige nachvollziehen, der selbst einen Blog schreibt oder vielleicht sogar hauptberuflich mit dem Schreiben von Artikeln oder gar Büchern zu tun hat. Da gibt es einfach solche Phasen. Weiter erschwerend kam natürlich noch der überaus geile Sommer hinzu, wo ich meine Hauptarbeit auf den frühen Morgen oder den Abend verlegte um tagsüber im Freibad zu verweilen. Da blieb dann nicht die benötigte Zeit um ausgiebig und vor allen Dingen regelmäßig Blogeinträge zu verfassen. Nun aber – der Winter bietet da einfach mehr Freiraum - werde ich euch wieder Einträgen bombardieren. Zum einen werde ich die Serie “Pokerprofi am Limit“ mit einigen Episoden zu Ende bringen, zum anderen werde ich auch mein jetziges Leben schildern. Vielleicht gibt es sogar einige Kurzausflüge in ganz andere Themenbereiche.

Also…ich gelobe Besserung und bis April/Mai werdet ihr einiges zu lesen bekommen.

Um nochmals kurz wieder rein zu kommen, hier der Link zur letzten Ausgabe der Serie:

http://pottis-poker-blog.blogspot.com/2018/02/potti-in-vegas-am-im-limit-teil-3.html

Wir schreiben das Jahr 1993 und ich lebte nun bereits zwei Jahre in Vegas. In der Stadt, wohin viele fuhren einfach nur um Urlaub zu machen! Und dafür sehr viel Geld ausgaben. Eine traumhafte Zeit lag hinter mir...es war schöner als ich es mir zu Beginn des Trips in meinen kühnsten Träumen überhaupt vorgestellt hatte. Zwei Jahre lang hatte ich keinen einzigen Verlustmonat an den Pokertischen! Ich konnte meine Finanzreserven bis auf leichte Rückschläge quasi permanent ausbauen. Und nun, nach 4 überaus durchwachsenen Monaten am Stück, hatte ich nicht nur meinen ersten Verlustmonat zu verzeichnen und mein Mindset war gehörig ins Wanken geraten, sondern auch in meine Bankroll war eine gewaltige Schneise gefräst worden! Zudem, und das war wohl das allergrößte Problem, hatte ich mein Spiel nicht mehr zusammen. Das Unternehmen stand erstmals in Gefahr, in großer Gefahr!

Dann, im Sommer 1993, kam Gott sei Dank eine einzige Nacht in Binions Horseshoe, die alles, aber auch wirklich alles komplett verändern sollte…

Mir war klar, dass ich dringend etwas verändern musste, sehr dringend! Der erste Schritt war, dass ich meinen Spielrhythmus wechselte. Bis dahin war ich quasi ausschließlich in der “Spätschicht“ aktiv. Nach einigen Nachmittags-Stunden am Pool und einer frischen Dusche war ich bislang immer so zwischen 18 und 19 Uhr ins Casino gefahren, wo ich dann bis in die frühen Morgenstunden spielte. Mir war natürlich nicht entgangen, dass sich zwischen 2 und 4 Uhr morgens viele Angetrunkene an die Tische setzten sowie auch Roulette- und Black-Jack Dealer aus den verschiedensten Casinos, die nach Schichtende ihr schnelles Glück beim Poker suchten. Ihnen allen fehlte es reichlich an Geduld und sie waren fast durch die Bank leichte Beute….Fische, wie der Pokerprofi diese Sorte Spieler zu nennen pflegt! Je früher die Morgenstunden, desto attraktiver wurden die Tische, desto häufiger kamen die Fische in der Regel. Aber zu dem Zeitpunkt hatte ich ja selbst bereits 8-10 Stunden auf dem Buckel und war bei weitem nicht mehr so konzentriert wie zu Beginn einer jeden Session. Also sah ich es als notwendigen und konsequenten Schritt an in die Nachtschicht zu wechseln, in die sogenannte Friedhofsschicht oder “Graveyard“, wie sie vom Ami typischer Weise genannt wird.  

Wechsel auf Nachtschicht "GRAVEYARD" 

Von nun an ging es also nach dem Sonnenbad am Pool zunächst erst einmal ins Bett. Schlaf war angesagt. Ich stellte den Wecker auf 1.00 Uhr in der Nacht und machte mich dann frisch geduscht auf zur Arbeit. Rein spielerisch ging der Plan eigentlich auch auf. Allerdings gab es ein großes Problem! Häufig brachen die Tische ab, da der Nachschub an frischen Spielern in den frühen Morgenstunden fehlte. Und so stand ich regelmäßig nachts zwischen 5 und 7 Uhr da, war komplett ausgeschlafen, motiviert und spielbereit, hatte jedoch keine Kundschaft mehr und auch keine Ahnung, was ich am frühen Morgen überhaupt machen sollte.

Dann im Sommer 1993 oben angesprochene Nacht, die alles grundlegend verändern sollte. Ich war im Horseshoe und spielte 4/8$ Limit Holdem. Es war 4.30 Uhr morgens und ich saß am letzten laufenden 4/8 Tisch. Unsere Runde bestand noch aus 6 Spielern und es war kein einziger Fisch darunter. Das Shorthanded-Game mit 6 oder weniger Spielern war sowieso nicht wirklich meine Paradedisziplin. Aber wenn dann zusätzlich nicht einmal ein Schwachspieler am Tisch saß, dann war mir auch klar, dass die Rake (
à Kommission, die sich das Casino aus jedem Pott zieht) uns eh alle zerstören würde. Einer der Gegner war dann auch noch im Begriff seine Klamotten zu packen und der Tisch war kurz vor der Auflösung. In diesem Moment kam Shelly - die Floormanagerin - zu uns an den Table. Sie wollte natürlich nicht, dass wir das Casino verlassen, sondern wollte die freien Plätze an den anderen Tischen durch uns besetzen. „Hey guys, ich habe drei freie Plätze am Omaha-Tisch für euch“ und nicht einmal unsere Antwort abwartend, ob wir überhaupt spielen wollten, schmiss sie ein paar Platzkarten auf den grünen Filz. Ich zog die Nr. 2 und somit meine Berechtigung für einen der freien Plätze.

Ich nahm den Platz ein. Einerseits aus Langeweile, andererseits bin ich im Leben neuen Sachen gegenüber sowieso positiv aufgeschlossen. Man muss zumindest alles einmal ausprobiert haben um mitreden zu können. Wieso also nicht auch mal eine Partie Limit Omaha spielen? Wobei ich ehrlich gesagt nicht sonderlich viel über das Spiel wusste. Ich wusste, dass beim Omaha 4 anstatt 2 Karten ausgeteilt wurden und dass man auch zwangsweise 2 der eigenen 4 Karten zum Bilden einer Pokerhand benutzen musste. Auch wusste ich, dass die Setzstruktur identisch zum Texas Holdem war. 2$ und 4$ die Blinds, vor und nach dem Flop konnte jeweils 4$ gesetzt bzw. erhöht werden (maximal 4 Raises), nach dem Turn sowieso River jeweils 8$ zzgl. 4 möglicher Erhöhungen. Das Spielen einer Hand bis zum Maximalanschlag konnte also recht teuer werden. Und mir war bewusst, dass das Omaha-Spiel im Horseshoe quasi immer extrem wild war. Oft genug hatte ich am Nachbartisch mitbekommen, dass dort Monsterpötte in Serie ausgespielt wurden und der grüne Filz des Tisches regelmäßig komplett bedeckt war von den 1$ Binion-Chips. Dass die Dealer für das Zuschieben des Potts an den Gewinner teilweise 4-5 beidhändige Schübe benötigten!
Strategisch betrachtet hatte ich jedoch Null Plan! Weder wusste ich, welche Hände man in welchen Positionen vor dem Flop effektiv zu spielen hatte, noch war mir bekannt, wie man mit “gemachten Händen“ oder eben auch Draws nach dem Flop/River am geschicktesten vorzugehen hatte. Auch kannte ich die Gegner und deren Spielstärke nicht, da die Omaha-Community eine ganz eigene und seltsame Familie für sich war. Eine Familie, der ich recht bald zugehören sollte!

Ob ich bei meinem ersten Ausflug auf neuem Terrain einfach nur guten Beistand von den Pokergöttern hatte oder ob ich gleich zu Beginn instinktiv recht solide Entscheidungen getroffen habe, das kann ich im Nachhinein nicht mehr beurteilen. Aber es wurde eine sehr erfolgreiche Omaha-Entjungferung für mich. Als ich irgendwann morgens um 10.00 Uhr meine Klüngel zusammenpackte, hatte ich ein sattes Plus von knapp 600$ zu verzeichnen. Nicht nur, dass es meinem Geldbeutel sehr gut tat, auch für mein Ego war es überaus wertvoll. Aber zwei Sachen waren noch viel wichtiger:

1. Meine erste Omaha-Session hatte tierisch Bock gemacht! Während ich beim Texas Holdem pro Stunde immer nur so 3-5 Hände spielte und den Rest ablegen musste, so waren es jetzt um die 8-10 spielbare Hände pro Stunde…es war also mit Abstand kurzweiliger. Und natürlich auch wesentlich dramatischer. Die Pötte waren hier wesentlich größer und wurden fast ausnahmslos am River entschieden. Nichts für schwache Nerven und durchgängig Adrenalin pur!

2. Die Gegner machten einen extrem schwachen Eindruck! Ich hatte beim Texas Holdem in den zwei Jahren ja schon die kuriosesten Konstellationen gesehen. Aber jetzt beim Limit Omaha war es naturgemäßer noch viel krasser, da ja jeder Mitspieler 4 Karten in der Hand hielt. Und 4 Karten bedeuten 6 einzelne Holdem-Kombinationen pro Spieler. Zur Erklärung: Karte 1+2, 1+3; 1+4; 2+3; 2+4, 3+4
Bei 10 Spielern am Tisch bedeutete das, dass 60 verschiedene Holdem-Kombinationen unterwegs waren. Und insgesamt waren 45 der 52 Karten im Spiel! Ich brauchte kein Albert Einstein sein um zu verstehen, dass man hier wesentlich vorsichtiger agieren musste und quasi permanent die bestmögliche Hand halten musste um erfolgreich sein. Dies schienen die anderen aber nicht zu beherzigen. Sie gingen mit ihren Open-ended straight oder flush-draws mit, wenn das Board sich bereits gepaired hatte, überspielten ihre Baby Full-Houses usw. Sie setzten, wenn sie besser hätten checken sollen und checkten, wenn sie noch Value hätten rausholen sollen. Ich konnte kaum glauben, was ich dort sah.

Kurzum…es war unfassbar, wie schwach die Leute spielten. Von den vielleicht 100 regelmäßigen Omaha-Spielern, denen ich den nächsten Wochen und Monaten an den Tischen begegnen sollte – es war wirklich eine große Familie, wo sich nur sehr selten mal andere versuchten – waren vielleicht maximal 5 Gegner dabei, die aus meiner Sicht solide spielten und die ich ernst nahm. Ich hatte eine wahre Goldgrube aufgetan…ich war im wahrsten Sinne des Wortes im Paradies gelandet! Und je mehr ich spielte, desto besser wurde ich.
Mit der Zeit wusste ich nicht nur genau, welche Hand in welcher Position und Situation effektiv zu spielen bzw. zu passen war, sondern ich hatte auch alle Gegner mehr oder weniger bis ins kleinste Detail analysiert. Ich wusste, wie sie ihre Sets, aber auch ihre Draws spielten. Es war, als wenn sie alle mit offenen Karten agierten. Natürlich gab es hin und wieder Rückschläge, wenn eben gar nichts ging. Aber dies kam nicht so häufig vor. Ich machte mir in dieser Phase richtig die Taschen voll. Ohne mich selbst beweihräuchern zu wollen, so möchte ich definitiv die Aussage treffen, dass es von Sommer 1993 bis Sommer 1994 keinen Spieler Downtown Las Vegas gab, der a) mehr Limit-Omaha Hände spielte als ich und b) mehr Geld aus diesem Spiel herauszog. Ich saß im Schnitt 12-14 Stunden pro Tag an den Tischen, in der Regel verteilt auf zwei, manchmal auch drei Sessions und es lief abartig gut.

Meine Arbeitsstätte und auch mein Zuhause


Das war dann auch der Grund, wieso ich nochmals umzog. Ich hatte mittlerweile zwar ein Auto, aber diese Touren von meinem Apartment im Polo Club nach Downtown und zurück waren angesichts des krassen Verkehrs auf den überfüllten Straßen schon nervig und zeitaufwendig. Mit meinem WG-Partner Corky verstand ich mich zwar gut, aber dennoch war da ein Altersunterschied von knapp 40 Jahren. Zudem stand er morgens um 7.00 Uhr auf…da war ich manchmal noch gar nicht zu Hause. Unsere Tages-Rhythmen passten einfach nicht wirklich zusammen. Von daher fiel mir der Auszug nicht sonderlich schwer und ich entschied mich für einen Umzug nach Downtown. Da ich mittlerweile ausnahmslos im Horseshoe spielte und eben auch sehr viel – damit dem Casino natürlich auch ordentlich Rake einbrachte - konnte ich über den Pokerroom-Manager einen überaus fairen Monatspreis von 700$ für das Hotelzimmer im Horseshoe aushandeln.
Hört sich auf den Blick recht viel an, zumal es ja auch nur ein einfaches Zimmer war und ich dort bei weitem nicht den Luxus des Polo Clubs hatte. Aber wenn man bedenkt, dass der Übernachtungspreis an manchen Wochenenden, wenn die Stadt aufgrund eines Mega-Boxkampfes oder eines Konzerts wieder einmal aus allen Nähten platzte, allein 100$ und mehr pro Nacht betrug, dann waren die 700$ für den gesamten Monat schon OK und angemessen. Zumal ich es mir aufgrund der Einnahmen beim Omaha jetzt auch locker leisten konnte und ich obendrein Verzehr-Coupons bis zum Abwinken bekam.
Und einen Pool für die Nachmittage in der Sonne hatte ich dort auch. Er lag auf dem Dach des Hotels im 26. Stock! An diesem Pool lernte ich eines Tages dann auch Jessica kennen.
...to be continued

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