Werbung, du geile Sau (!?)

Früher war Werbung wie ein komplett betrunkener Dartspieler. Irgendwie zwar schon zielgerichtet, aber meistens landet der Pfeil dann doch irgendwo zwischen Kaktus, Tapete und Schwiegermutter. Heute ist Werbung wie eine Hellseherin mit Google-Konto. Ich nehme euch mal mit auf eine kleine Zeitreise durch die verschiedenen Phasen der Werbeentwicklung. Von der guten alten Postwurfsendung bis hin zur (gefühlten) Gedankenleserei.

Phase 1: Das Gießkannenprinzip
Früher war Werbung noch ehrlich. Da gab es keine Cookies, kein Tracking und keine KI. Nur einen schlecht gelaunten Briefträger, der dir jeden Mittwoch 13 Kilo Altpapier in den Briefkasten schob. Pizza-Service, Matratzenlagerverkauf und irgendwer, der Gold ankauft. Hat man das alles gebraucht? Natürlich nicht. Hat man’s trotzdem mal durchgeblättert? Klar! Werbung für alle. In der Hoffnung, dass 0,5 % der Menschen zufällig gerade ein gebrauchtes Wasserbett suchen. Gnade der Zielgruppe? Fehlanzeige. Bei uns am Ort gibt es diese Postwurfsendungen übrigens immer noch. Mehrmals die Woche. In der Tageszeitung sogar täglich. Was für eine Papierverschwendung! 

Phase 2: Zielgruppe light
In Phase 2 dann das Werben nach Zielgruppen. Da wird der Spot im TV nicht irgendwo reingeschoben, sondern es wird überlegt: „Hey, wenn Fußball Champions-League am Mittwochabend läuft, dann könnten wir doch Werbung für Bier, Autos oder Online-Dating Portale machen!“ Und eben nicht für Windeln oder Rasenroboter. Natürlich blieb es trotzdem oft beim Prinzip Hoffnung. Aber immerhin war es jetzt Hoffnung mit Konzept. Man wusste: Wenn Bayern gegen Dortmund läuft, gucken vor allem Männer mit mittlerer Aufräumdisziplin. Und das bedeutet: „Ruf jetzt an, sie wartet auf dich!“ funktioniert besser als „Jetzt 3 € beim Weichspüler sparen!“

Phase 3: Der Algorithmus schlägt zurück
Dann kam die Zeit von Google und Cookies. Und Re-Targeting. Und plötzlich wusste Werbung häufig mehr über dich als deine eigene Familie. Du googelst einmal nach einem Gartenschlauch und für die nächsten drei Wochen bekommst du überall Gartenschlauchwerbung. Auch wenn du längst einen gekauft hast und ihn nur einmal benutzen wolltest, um die Nachbarskatze vom Balkon zu verscheuchen. Diese Phase ist heute absoluter Standard. Du denkst, du suchst. In Wahrheit: du wirst gesucht.

Phase 4: Alexa, bist du eigentlich noch ganz dicht?
Und dann wird es ein bisschen spooky. Du redest mit einem Freund beim Abendessen über den nächsten Urlaub und erwähnst nebenbei, dass du mal wieder nach Portugal reisen möchtest – hast es aber nicht gegoogelt. 20 Minuten später später öffnest du Instagram und BÄM: Werbung für Surfcamps in Nazaré.

Zufall? Vielleicht. Vielleicht ist es aber auch Alexa, die da hinten so tut, als würde sie nur Musik spielen – in Wirklichkeit aber mit dem Marketing-Team von TUI flüstert. Oder es ist dein Handy, dass mitlauscht. Man nennt es kontextbasierte Audioanalyse. Ich nenne es die erste Phase, in der Werbung creepy wurde.

Phase 5: Gedankenlesen durch Wahrscheinlichkeiten
Und jetzt sind wir im Endgame. Im vermeintlichen Endgame. Du fährst Fahrrad, hörst deinen Lieblingspodcast, hast gerade parallel in Gedanken an deine neue Website gedacht, die du gestalten möchtest (du hast wirklich keinem Menschen davon erzählt!) und plötzlich: Werbung für einen Website-Baukasten. Du hast nicht getippt. Nicht gesprochen. Nur gedacht.
Aber dein Handy weiß: „Martin fährt wie immer um 10 Uhr morgens seine Podcast-Fahrrad-Runde, hat vor 2-3 Wochen gesucht, wie man am günstigsten eine Webseite gestalten kann. Er ist morgens kreativ und hatte um 8 Uhr seinen Kaffee.“ Da kann man doch mal ein bisschen Webseitengestaltung-Werbung reinballern, oder? Man nennt das "predictive behavioral targeting“. Ich nenne das: Phase 5 – Willkommen in der Werbe-Matrix.

In den letzten Tagen ist mir dies übrigens gleich mehrfach (!) passiert! Extrem spooky, wenn du auf einmal einen Spot hörst zu genau dem Gedanken, den du gerade hast. Und es waren 3 völlig voneinander unabhängige Themen. Und ich führe keine Selbstgespräche! Zumindest nicht, dass ich wüsste ☺ 

Und ihr so? Mal ehrlich: Welche Werbung hat euch zuletzt das Gefühl gegeben, dass euer Handy heimlich eure Gedanken liest? Gab’s bei euch auch schon diese unheimlichen Momente, in denen ihr dachtet: Moment mal – das habe ich doch nur gedacht! Oder ganz oldschool: Was war eure skurrilste oder nervigste Werbeerfahrung ever? Ich bin gespannt auf eure Geschichten. Kommentiert gern hier drunter, per Rauchzeichen, Taube oder wie immer ihr eure Daten übertragt. Und keine Sorge: Ich speichere nix. Höchstens in meinem Herzen. Haha.


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