Wir machen eine kleine Zeitreise. Und drehen die Uhr um 35
Jahre zurück. Ende der 80er.
Im Nachbarort Ahlen entwickelt sich sukzessive eine Bundesligamannschaft, die
für Furore sorgt. Im Boxen. Die heimischen Zeitungsartikel beschreiben eine
ausgezeichnete Stimmung sowie Top Sport. Auch ich werde neugierig und mache
mich auf den 20-minütigen Weg zu einem Bundesligaduell. Und werde definitiv
nicht enttäuscht. Spannende Kämpfe mit hochrangingen Namen im Amateurboxsport (unter anderem die späteren Boxweltmeister Markus Beyer oder Sven Ottke schlugen dort auf) gepaart
mit einer sensationellen Atmosphäre begeistern mich. Ich werde Stammgast bei
den Heimkämpfen. Ich glaube in den Jahren von 1986 bis 1990 habe ich dann auch keinen
einzigen Auftritt vom BSK Ahlen in heimischer Halle verpasst.
Und während ich diese Zeilen schreibe, gehen wunderschöne Gedanken durch
meinen Kopf. Wenn Samstagsabends um kurz vor 19.30 Uhr die Lichter in der
Ahlener Friedrich-Ebert-Halle ausgingen und sich 3.000 Leute im Stockdunkeln eine
Wunderkerze anzündeten. Die meisten der Zuschauer sogar 2. Pure Gänsehaut
Atmosphäre. Es ging los mit der Ouvertüre „Also sprach Zarathustra https://www.youtube.com/watch?v=dfe8tCcHnKY
Dann der Einmarsch der beiden Staffeln mit stimmungsvollem Radetzky-Marsch https://www.youtube.com/watch?v=xToFOzD0M8E
Die Ahlener Truppe war bärenstark. Für die Positionen, wo zu Beginn noch ein
paar Schwachpunkte auszumachen waren, holte der damalige Sportmanager & Leiter des Clubs starke
Ergänzungen wie den späteren Profi-Weltmeister Norbert Nieroba oder den
mehrfachen Deutschen Meister Klaus Niketta. Oder den Polen Bogdan Maczuga. Der
kämpfte in der Klasse bis 57 Kg und ging mir von der Körpergröße in etwa bis
zum Bauchnabel. Aber wenn Maczuga seine Linke auspackte und diese traf, dann
tat es schon beim Zuschauen weh und man konnte den harten Aufprall des Schlags
trotz der Hallenlautstärke deutlich vernehmen. Er schickte seine Gegner
serienweise auf die Bretter. Höhepunkt des Abends meist das
Super-Schwergewicht. Hier waren die Ahlener mit Ricky Lewis zwar eher schwach
besetzt, aber dennoch war Lewis der Publikumsliebling. Der Türsteher einer
einheimischen Diskothek konnte sich mit seinen geschätzten 150 Kg zwar nicht wirklich
gut und schnell bewegen. Nach Punkten lag er meist auch hoffnungslos hinten.
Aber wenn sein rechter Schwinger passend landete, dann war der Kampf in der Regel auch
beendet. Zu seinen Gunsten. Knock-Out des Gegners.
Beim Schreiben merke ich, dass irgendwas in meinem Oberstübchen auch nicht ganz rund zu
laufen scheint, als dass ich immer noch die komplette Staffel des BSK Ahlen vom
Papiergewicht bis hoch zum Superschwergewicht nahtlos aufzählen kann. Immerhin
sind 35 Jahre vergangen…! Wenn mir auf einer Feier irgendwo 4 Personen mit Vornamen vorgestellt werden, dann habe ich 20 Sekunden später mindestens 3 der 4 schon wieder vergessen. Man o man.
In Ahlen gingen dann etwas später leider die Lichter aus. Der damalige Manager,
der pro Jahr sicherlich einen guten 6-stelligen Betrag in den Verein steckte
um seinem Hobby zu frönen und mehrere Deutsche Meistertitel nach Westfalen zu holen,
hatte seine Gelder wohl nicht ausnahmslos auf legalem Wege verdient oder zumindest nicht alle Einnahmen dem Finanzamt mitgeteilt. Einen
recht amüsanten Spiegel-Bericht zur damaligen Zeit habe ich übrigens noch hier
gefunden >> https://www.spiegel.de/sport/der-robin-hood-von-ahlen-a-89f6948d-0002-0001-0000-000013488562
Nun…wieso komme ich überhaupt auf dieses Thema? Samstagabend gibt es im
benachbarten Hamm einen Art Revival. Die heimische Truppe aus Hamm trifft im
Hinkampf um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft auf den BC Traktor Schwerin.
Ich bin gespannt, ob es der Kampfabend mit den Erlebnissen aus damaligen Zeiten
in der Ahlener Friedrich-Ebert-Halle aufnehmen kann. Ich werde es mir anschauen.
Das Waldhaus in Lippetal (siehe Spiegel-Artikel) gibt es auf jeden Fall nicht mehr. Habe recherchiert. Die zugewandten Sympathien der Punkterichter fürs Heimteam fallen also schon mal wech...wie wir hier in Westfalen zu sagen pflegen.
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