Freitag, Oktober 16, 2015

Las Vegas Sommer 2015 ...das Main-Event (Teil 3)

Teil 1:     pottis-poker-blog.blogspot.de/2015/10/nach-einer-gut-3-monatigen.html

Teil 2:     pottis-poker-blog.blogspot.de/2015/10/las-vegas-sommer-2015-das-main-event.html

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In die zweite Pause des zweiten Tages beim Main-Event der Pokerweltmeisterschaft ging ich also nicht nur mit knapp 80.000 Chips und somit ordentlich über Durchschnitt, sondern auch mit reichlich Euphorie und viel Elan. Alles passte! Ich fühlte mich absolut top, hatte wie gesagt ordentlich Munition vor mir stehen und am Tisch hatte ich alles unter Kontrolle. Zumindest hatte ich auf jeden einzelnen Gegner ein gutes und recht klares Bild über dessen Spielweise.
War ich vor Beginn des Main-Events einigermaßen zuversichtlich, dass ich mein Minimalziel “Erreichen des Preisgeldes“ erreichen würde, so war ich mir zum jetzigen Zeitpunkt sogar ziemlich sicher dieses Ziel zu erreichen. Natürlich war mir bewußt, dass nur eine einzelne Hand, z.B. KK vs. AA oder gar "set over set" am Flop, einen herben Rückschlag oder gar das direkte Aus bedeuten könnte, aber dies verdrängte ich.

Nach einer Zigarette und dem üblichen Toilettengang (zur Sicherheit und um ja keine Hände zu verpassen) ging es also zurück an den Tisch. Und es dauerte keine drei Minuten, bis der frei gewordene Platz Nr. 1 neu besetzt wurde. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob alle meine Gegner sofort erkannten, wer sich da zu uns neu an den Tisch gesellte, aber ich erkannte ihn natürlich sofort. Es war einer der gefürchtetsten Online-Spieler überhaupt…Randy Lew, in der Szene nur als “Nanonoko“ bekannt. Ein junger Amerikaner asiatischer Herkunft, der nicht nur einen Guinness Weltrekord hält mit knapp 24.000 gespielten Händen in 8 Stunden (!), sondern der trotz seines jungen Alters auch bereits in den PokerStars VIP Club Hall of Hame aufgenommen wurde. Eine Legende! Online hat er bereits mehrere Millionen Dollar gewonnen. 

NANONOKO bei der "Arbeit "
Hier eine nette Dokumentation über die Online-Legende Nanonoko:
https://www.youtube.com/watch?v=2QzhQIOFNhU
 

Er kam mit ca. 35.000 Chips an den Tisch und er saß noch nicht einmal richtig auf seinem Platz, als er UTG+1 raiste. Ich glaube er hat sogar nicht mal in seine Karten geschaut. Alle passten und er kassierte Blinds und Antes ab. UTG dann das gleiche Spiel. Dieses Mal schaute er in seine Karten, raiste und bekam zur verspäteten Begrüßung von Platz 3 gleich ein Reraise um die Ohren gehauen. Aber das juckte ihn nicht und er ging nochmals drüber. Sein Gegner passte daraufhin. NANONOKO saß also gerade einmal 5 Minuten am Tisch und eines war bereits klar: Wir hatten einen neuen Sheriff am Tisch! Die gesamte Situation und Tischdynamik veränderte sich mit seiner Ankunft. Innerhalb von nicht einmal einer Stunde konnte er seinen Stack von 35.000 auf ca. 60.000 ausbauen, ohne einmal seine Karten am River zeigen zu müssen. Er bekam keine Gegenwehr.

Ich hatte im Übrigen drei kleinere Duelle gegen ihn, die jedoch allesamt für ihn ausgingen. Einmal suckte er mich am Flop aus, als ich mit AK aus früher Position erhöhte und er am Cutoff callte. Der Flop kam JTx und ich check/callte ihn am Flop. Am Turn wie River checkten wir durch und er zeigte AJ. Die anderen beiden Male callte ich sein Raise vor dem Flop in Position, musste aber jeweils auf eine Folgebet von ihm passen, da ich das Board komplett verfehlt hatte. Wie gesagt…alles, was die beiden Level zuvor so schön gemütlich war, war nun anders. Wenn vor ihm keiner den Pot eröffnet hatte, dann erhöhte er von mittlerer Position aus (oder noch weiter hinten sitzend) zu 100%! Und keiner traute sich irgendwie ihm Contra zu geben…mich eingeschlossen. Einfach zuviel Angst einen Riesenpott zu spielen und dabei ggfs. das Ausscheiden zu riskieren. 

Für mich kam es jedoch noch schlimmer. Zunächst doppelte ich den Shortie, den ich bereits im ersten Level mit Chips versorgt hatte, nochmalig auf. Dieses Mal hatte ich die beiden Overcards (AQ) und er das mittlere Paar (9er). Das Board brachte keine Hilfe für mich und das Vergnügen kostete mich dieses Mal knapp 8.000 Chips. Eine weitere Hand war jedoch noch kostspieliger!

Ich saß im Small Blind und endlich einmal schien Nanonoko eine Hand gefunden zu haben, die schlecht genug war, dass selbst er sie nicht spielen konnte. Alle andere passten ebenfalls und ich war bereits in Lauerstellung den Big Blind anzugreifen, als auf einmal Doug vom Button aus mit einem Raise aufwachte! Mein erster Gedanke war, dass Doug hier auf einem Steal aus war. Denn ebenso wie ich hatte auch Doug seit mindestens drei Runden keinen einzigen Pot mehr gewonnen. Ich schaute in meine Hand und fand A7 von Pik. Man kann gegen einen tighten Spieler hier durchaus mal passen oder gfs. auch mal mitgehen um den Flop zu schauen. Da ich aber wie gesagt der festen Überzeugung war, dass Doug hier die Blinds/Antes klauen wollte, ging ich mit einer Erhöhung drüber. Der Big Blind hielt sich raus und nach kurzem Überlegen callte Doug. Der Flop kam gut! A86 mit einem Pik. Ein starkes As gab ich ihm nicht und da ich ihn mit einer Contibet allerdings auch nicht verlieren und es ein wenig tricky spielen wollte, andererseits aber auch keinen zu großen Pot gegen ihn spielen wollte mit lediglich einer mittelstarken Hand, checkte ich zu ihm. Er setzte! OK…das konnte alles bedeuten und natürlich callte ich ihn. Turnkarte dann Pik Dame. Die Karte konnte definitiv nicht schlecht sein für mich. Zum einen hatte ich jetzt neben dem Paar Asse zusätzlich noch den Nutflush-Draw, zum anderen  könnte er jetzt sehr wohl auch ein Paar haben und behind checken. Ich checkte also ein zweites Mal. Aber Doug dachte nicht daran, behind zu checken. Er setzt erneut knapp 2/3 des Pots. Hm…was konnte er haben? A8 und er hatte voll getroffen? War er vielleicht auf einem Vollbluff und sah seine einzige Chance darin mich rauszudrücken? Zumindest hatte ich ja für Plan B immer noch meinen Nutflush-Draw. Ich ging also nochmals mit. Riverkarte dann Kreuz Bube und ich checkte ein drittes Mal. Doug wühlte in seinen Chips und setzte auch am River…wieder 2/3 des Pots! Verdammte Scheiße! Was tun?

Ich schaute meinen Sitznachbarn jetzt mehrere Minuten an und merkte, wie nervös er war. Von Sekunde zu Sekunde wurde er unentspannter. War dies ein Indiz dafür, dass er bluffte? Es fielen mir die Worte von George Danzer ein, der vor Beginn von Tag 2 auf meine Gegnerliste schaute und nur einen einzigen Namen kannte. Es war der von Doug, mit dem er 2010 zusammen an einem Final Table in Las Vegas saß. George sagte, dass Doug nie blufft und er es wirklich immer (!) hat, wenn er dreimal durchfeuert! Andererseits hatte ich Doug vor knapp 3 Stunden einen Riesenbluff ausfahren sehen, was ihn richtig Chips gekostet hatte. Auch da hatte er dreimal durchgeballert. Ich schaute ihn mir nochmals an…und machte dann den Call.
Doug zeigte mir ein Set Sechser! Verdammter Mist…wieso musste er gerade jetzt sein Set treffen? Ausgerechnet gegen mich! Gott sei Dank war das Level kurz danach vorbei. In den zwei Stunden hatte ich knapp die Hälfte meines Stacks verballert. Das war die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht war, dass ich das vorletzte Level des zweiten Tages erreicht hatte und immer noch 40.000 Chips vor mit stehen hatte, was umgerechnet immer noch 40 Big Blinds waren. Also längst kein Grund zur Panik und immer noch sehr gut zu spielen.

Die Pause tat in jedem Fall sehr gut. Jetzt nur noch zwei Level überstehen! Dann würde es in Tag drei gehen…der Tag, an dem es ins Preisgeld geht. Immerhin 15.000$ für den Mincash. Und ich hätte sogar noch einen Ruhetag, an dem ich mich nochmals ein wenig entspannen und den Akku abermals randvoll laden könnte.

Das vierte Level des Tages ist eigentlich recht schnell erzählt. In den gesamten zwei Stunden habe ich glaube ich zwei Hände gespielt. Einmal mit AK geraised, aber nach dem Flop aufgegeben, als abermals nur kleine Karte kamen. AK war somit definitiv die Hand, die mich bislang mit Abstand die meisten Chips gekostet hatte im Turnier. Ich hatte AK bislang so um die 10 Mal und habe lediglich einen kleinen Pot mit Anna Kournikova einstreichen können. Mit Königen konnte ich dann zumindest noch einen Pot einstreichen, nachdem vor mir jemand geraised hatte und ich gereraised sowie nach einem trockenen Flop auch nochmals gesetzt habe.

Skeptisch, aber dennoch voller Hoffnung, ging es in das letzte Level des Tages! 
Mit etwas über 30.000 Chips ging ich somit in das letzte zu spielende Level von Tag 2. Immerhin noch 25 Big Blinds. Zwar bekam ich angesichts der immer weniger werdenden Chips noch nicht wirklich Angst, geschweige denn war ich ansatzweise davor die Geduld zu verlieren…aber dennoch wurde der Wunsch immer größer, dass endlich mal die eine oder andere sehr gute Starthand oder eben optimale Konstellation kommt um meinen Stack wieder dorthin zu bringen, wo er ein paar Stunden zuvor bereits war. Immerhin hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt - nach gespielten 18 Nettostunden - immer noch nicht die Asse als Starthand erhalten. Statistisch betrachtet waren sie mehr als überfällig. Zudem hatte ich an den zwei Tagen noch keinen einzigen Flush gemacht und lediglich eine einzige Straße(!) in Level 2 von Tag eins. Nun war es höchste Zeit für ein paar gute Hände und/oder ein paar gute Boards!

Aber ich blieb komplett kartentot. 82, 93, J4…und das in Serie…über eine Stunde lang nicht eine ansatzweise spielbare Hand. Bei kleineren Turnieren oder im Cashgame habe ich damit überhaupt kein Problem. Ich habe Geduld ohne Ende. Aber ich saß hier bei der Pokerweltmeisterschaft, das Eis wurde so langsam dünn und ich wollte partout meinen Platz nicht räumen! Ich erwischte mich zu diesem Zeitpunkt auch zusehends mit dem Blick auf die Turnieruhr, die unendlich langsam heruntertickte. Noch waren es mehr als eine Stunde bis zum Ende von Tag 2. Und mittlerweile tat es jedes Mal verdammt weh, wenn die Blinds wieder um die Ecke kamen. 1.200 für den Big Blind und 600 für den kleinen Blind. Zudem in jeder Hand 200 Ante. Jede einzelne Runde kostete 3.600 Chips. Ich habe noch in Erinnerung, dass ich irgendwann nach so einer Stunde in diesem Level mit KQ von Herz das Raise eines Spielers aus vorderer Position in hinterer Position callte, hinter mir aber der Small Blind All-In ging. Der Open-Raiser ging raus und ich war kurz davor zu callen. Ich passte dann aber doch nach 2 Minuten des Überlegens…einfach zu viel Muffe. Mittlerweile war ich runter auf ca. 16.000 Chips und es waren noch ca. 45 Minuten zu spielen.

Dann raiste Nanonoko, der mittlerweile auch wieder auf den Boden der Tatsachen angekommen war und nicht mehr jede Hand kampflos gewann, und Doug im Small Blind callte. Ich schaute in meine erste Karte und es war ein As! Lieber Gott…lass die zweite Karte jetzt bitte mindestens ein König sein, flehte ich höhere Mächte an. Dann würde ich reinstellen. Ich machte ganz langsam auf und es war ein weiteres As…Yesssss! Jetzt noch einmal ein kleines Reraise auszupacken, war irgendwie zu offensichtlich, dachte ich mir, und beide würden sicher sofort erkennen, dass ich Kings oder Asse halten würde. Ein bisschen Hollywood und dann die ganze Marie rein! Das erste Mal war ich für mein Turnierleben All-In und ich merkte, wie das Adrenalin durch meinen Körper schoss. Beide Gegner passten jedoch schneller als ich gucken konnte. Das war OK...besser als ausscheiden. Immerhin war ich jetzt wieder bei knapp über 23.000 Chips und fast 20 Big Blinds.
Ein weiterer Blick auf die Turnieruhr. Immer noch mehr als eine halbe Stunde zu spielen. Ich rechnete bereits durch. Ich würde mindestens noch einmal, vermutlich aber eher zweimal durch die Blinds müssen. Wenn ich keine einzige Hand mehr spielen würde, dann würde ich ca. 14.000 oder 15.000 Chips eintüten, was am übernächsten Tag bei Blinds von 800/1600/200 zwar nur knapp 10 Big Blinds wären, aber dafür immerhin noch alle Träume aufrecht erhalten würde. 

Die Turnieruhr zeigte ziemlich genau 25 noch zu spielende Minuten an, als ich das nächste Mal in den Big Blind musste. In den vorderen Positionen passten alle, aber nun erhöhte der Spieler auf Platz 9. Jason Mann, ein US-Amerikaner, der mit Sicherheit der tighteste Spieler am Tisch war. Prototyp für einen Betonspieler. Ich will nicht übertreiben, aber er hat den ganzen Tag über maximal 6-7 Hände gespielt. Für reichlich Staunen und Ungläubigkeit am Tisch sorgte er, als er irgendwann im vierten Level raiste und daraufhin ein Reraise von Nanonoko bekam. Er überlegte sehr lange und passte dann AK suited (!)…legte die Karten bei seinem Fold gar offen auf den Tisch! What...?

Jetzt raiste Jason auf 2.400, also ein Min-Raise. Und wenn jemand wie er raised, dann gehen natürlich bei allen Gegnern am Tisch sofort die Alarmglocken an. So war es dann auch kein Wunder, dass alle bis zu mir passten. Ich saß im Big Blind. Ich schaute in meine Hand und fand König Bube offsuit, also verschiedenfarbig. Mit seinem Raise von 2.400, meinem Big Blind (1.200), dem Small Blind (600) und den Antes (1.800) lagen bereits 6.000 Chips in der Mitte und ich musste lediglich noch 1.200 bringen um den Flop zu sehen.

Ich überlegte mir tatsächlich ernsthaft - zumindest kurzfristig - die Hand abzulegen. Es war eh meine absolute Hasshand. Und was sollte denn schon auch kommen, damit ich mich wohl fühlen konnte die Hand gegen ihn und vor allen Dingen out of position zu spielen? Aber andererseits dachte ich mir, dass ein Fold hier mathematisch einfach nicht korrekt sein konnte. Also entschied ich mich dann doch gegen mein Bauchgefühl und zahlte nach um den Flop abzunehmen. Und wer weiß, vielleicht dreht die Dealerin ja wirklich mal AQT um oder eine andere nette Konstellation?! Wenn der Flop J oder K high kommen würde, dann hatte ich mir bereits vorgenommen direkt in ihn hineinzuspielen und sofern er mitgehen sollte, dann keine weiteren Chips mehr zu investieren, wenn keine Hilfe für mich kommt und er später dann selbst anspielen sollte.

Aber es kam wieder einmal ganz anders! Als Doorcard (oberste Karte des Flops) konnte ich direkt einen Buben erkennen. Na, das war ja schon einmal verheißungsvoll. Als die Dealerin dann alle drei Karten auffächerte, traute ich meinen Augen nicht! Bube, Bube, 5…der allererste Flop in zwei Tagen, den ich wirklich frontal traf. BINGO! Jetzt war die Sachlage natürlich anders. Ich konnte nicht mehr direkt in ihn hineinspielen, da er mit Händen wie AK oder AQ vermeintlich direkt passen würde. Ich checkte zu ihm in der Hoffnung, dass er einen Versuch unternahm den Pot zu klauen. Aber leider tat er mir den Gefallen nicht und er checkte ebenfalls. Das konnte vieles bedeuten. Mit Händen wie AA, KK oder QQ hätte er vermutlich auch behind gecheckt. Hände wie TT-88 hätte er vermeintlich angespielt um sein Pocketpaar gegen potentiell höhere Karten von mir zu schützen. Kleinere Paare wie 88 schloss ich bei ihm sowieso kategorisch aus. Denn wenn er lediglich 6 oder 7 Hände den ganzen Tag über gespielt hat, dann waren eben diese kleineren Pocketpaare zu 100% nicht auf seiner Liste. So kartentot ist kein Mensch der Welt. Und da ich selbst einen König hielt, Pocket-Könige somit ebenfalls ebenfalls eher unwahrscheinlich waren, hatte ich ihn zu diesem Zeitpunkt auf zwei mögliche Hände: Entweder AA oder QQ.

Nur kein As und nur keine Dame jetzt am Turn (betete ich) und die Dealerin tat mir den Gefallen. Sie drehte eine nichts verändernde 7 um. Dazu noch offsuit…es bestand also keine Flushgefahr. Perfekt! Ich war mir zu 100% sicher, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt die bessere Hand hielt und nun galt es, den Pot ein wenig aufzubauen. Immerhin wollte ich nicht nur die Hand gewinnen, sondern ihm selbstverständlich auch ein paar Chips abnehmen. Ich setzte mit 3.500 knapp die Hälfte des Pots an. "Der Fisch biss an" und Jason callte. Er musste AA oder QQ haben! Nochmals ein letztes Stoßgebet…bitte eine kleine Karte! Als letzte Karte drehte die Dealerin dann ein 4 um. Puuuhhhh. Knapp 15.000 Chips lagen in der Mitte und ich setzte 7.000 Chips. Bitte, bitte call mich, dachte ich, als er nach kurzem Zögern dann auf einmal seinen kompletten Stack nahm und in die Mitte schob…mich All-In setzte! Er hatte ungefähr doppelt so viele Chips wie ich vor der Hand.

Oh shit! Das konnte nicht sein! Nochmals ganz neu evaluieren. Mit AA, KK oder QQ würde er nie so spielen, da das Raise am River absolut keinen Sinn machte. Kleine Paare (77, 55 oder 44) schloss ich wie oben erwähnt ebenfalls aus, denn die hätte er vor dem Flop bereits entsorgt. Es blieben also nur zwei Möglichkeiten übrig. Entweder er spielte jetzt mit meiner Angst auszuscheiden und fuhr den ersten großen Bluff des Tages aus…aber dies hielt ich auch eher unwahrscheinlich. Nicht gegen mich, denn ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt auch recht solide gespielt und wieso sollte er gerade jetzt so ein Ding auspacken, nachdem er vorher 9,5 Stunden total solide gespielt hatte? Nein, am Bluffen war er hier nicht! Somit der einzig folgerichtige Schluss: Er musste ebenfalls einen Buben haben!!! AJ offsuit gab ich ihm ebenfalls nicht, denn auch diese Hand stand selbst in mittlerer Position nicht auf seiner Starttabelle. Es musste AJ suited sein. Und da ich ja selbst einen Buben hielt und zwei in der Mitte lagen, war somit klar, dass er AJ von Karo halten musste! Mist…er hatte genau die einzig mögliche Hand, die mich jetzt schlug…es war mir so klar wie Kloßbrühe. Selbst QJ von Karo oder JT von Karo schloss ich aus, da er diese Hände vor dem Flop zu 99% entsorgt hätte. Mit seinem Raise lagen jetzt knapp 40.000 Chips in der Mitte. Wenn ich den Call machte und vorn lag, war ich mit 50K wieder richtig gut im Rennen. Wenn er mir jedoch die Hand zeigte, die ich bei ihm vermutete, dann war die Mission “WSOP 2015“ für mich hier und jetzt beendet!

Ich überlegte sehr lange. Vielleicht 5, vielleicht waren es aber auch sogar bereits 8 oder 9 Minuten. Nanonoko war, soweit ich mich recht erinnere, der einzige, der ein wenig ungeduldig wurde aufgrund der langen Wartezeit. Alle anderen am Tisch hätten es vermutlich begrüßt, wenn ich mir noch weitere 15 oder 20 Minuten Bedenkzeit genommen hätte, denn dies hätte ja bedeutet, dass sie maximal noch einmal, wenn gar kein einziges Mal durch die Blinds mussten und nahezu sicher in Tag drei waren.

Ich war mit also zu 99% sicher, dass ich auf AJ von Karo blicken würde, wenn ich den Call machte. Und ich hätte noch knapp 10.000 Chips übrig gehabt, wenn ich gepasst hätte. Wieder schaute ich in die Mitte auf die vielen Chips…knapp 40.000! Und dann machte ich den Call. Wirklich mit reichlich Magenschmerzen und gegen meinen Instinkt! Und Jason zeigte mir tatsächlich AJ von Karo! Die einzig verfickte Hand, die mich schlug. Ich war raus aus dem Turnier. Alles aus!

Die Gedanken, die mir in diesem Moment durch den Kopf gingen, kann und werde ich euch nicht im Detail ausführen. Es waren sowieso 1000 verschiedene Gedanken, die gleichzeitig durch meine Birne schossen. Aber ich kann versichern, dass es wie ein Blitz durch meinen ganzen Körper schoss. Meine Beine zitterten und ich fühlte mich einfach hundeelend! Ich war den Tränen nah…tja und um wirklich ganz ehrlich zu sein, kamen die Tränen sogar, als ich nach draußen ging. Irgendwie bin ich froh, dass George‘ Freundin Nicole zu diesem Zeitpunkt an der Rail stand und mich auf dem Weg nach draußen begleitete, mir dabei ein paar tröstende Worte spendete. Aber die Stunden nach meinem Ausscheiden waren zugegebener Maßen mit die schlimmsten, die ich seit geraumer Zeit durchmachte. Ich war einfach untröstlich.

Ein wenig Aufmunterung fand ich, als ich am Abend mit George und Jan über diese Hand sprach und beide unisono sagten, dass es ein absoluter Pflichtcall war am River in der Situation. George (er hatte ein paar Prozente an mir) sagte sogar, dass er sauer auf mich gewesen wäre, wenn ich in dieser Situation gepasst hätte. Denn mein Gegner hätte auch sehr gut QJ oder JT suited haben können. Zwei Hände, die ich ja sogar geschlagen hätte.
Pierre Neuville aus Belgien (hier mit seiner Frau). Kann der 72-Jährige im November das
Main-Event der WSOP gewinnen? Ich würde es ihm so gönnen!
 

Na ja…vielleicht greife ich im nächsten Jahr nochmals beim Main-Event an. Es hat im Nachhinein betrachtet auf jeden Fall nicht nur eine Menge Spaß gemacht, sondern es war eine unheimlich tolle Erfahrung. Und wenn Anfang November in Las Vegas der Final Table stattfindet, dann könnt ihr sicher sein, dass bei mir sicher nochmals alte Erinnerungen wach werden und sicher auch nochmals ein wenig Wehmut aufkommt. Vollkommen ist die Wunde nämlich auch heute noch nicht ausgeheilt. Aber ich werde auf jeden Fall einem guten Bekannten von mir (Pierre Neuville aus Belgien) ganz fest die Daumen drücken. Wie schön wäre es für das Poker im Allgemeinen, wenn sich ein 72-Jähriger “Pokeropa“ gegen zig Tausend junge Spieler durchsetzen und Weltmeister werden würde. Er wäre der ideale Botschafter für das Spiel. Ich hoffe zudem auch, dass ich allen, die vielleicht einmal planen beim Main-Event in Las Vegas mitzuspielen, mit diesem Beitrag auch den einen oder anderen Tipp mit auf den Weg geben konnte. In diesem Sinne allen ein gutes Blatt!


Ps.: Nanonoko erwische es übrigens 5 Minuten nach mir! Von meinem Tisch kam dann auch nur ein einziger (!) Spieler ins Geld. Es war Donald Blum, mit dem ich die knapp 10 Stunden über nicht ein einziges Duell hatte. Don könnt ihr übrigens in den ESPN-Episoden 5 und 6 am Feature Table sehen. Zusammen mit Daniel Negreanu. Don landete auf Platz 110 für knapp 47.000$. 

2 Kommentare:

  1. Klasse geschrieben, da capo! Ich bin ja zwar anfängerischer Anfänger und beschäftige mich erst seit wirklich kurzer Zeit mit Poker, konnte aber soweit alles nachvollziehen (ohne natürlich auch nur annähernd die aufgeführten Schlußfolgerungen hätte treffen zu können). Aber das zu lesen war nicht nur tolles Entertainment und ein riesiger Spaß, sondern auch sehr lehrreich. Vielen Dank dafür! :-)

    LG, Ralf

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  2. Das muss schon ein riesen Erlebnis sein, beim Main event teilzunehmen. Machst du denn dieses Jahr wieder mit? Es ist ja bald soweit. Ich denke ich werde persönlich nächstes Jahr nach Vegas fliegen, diesen Sommer habe ich leider zu viele andere Dinge vor. Vielleicht sieht man sich ja schon bald mal bei einem Live-Turnier. Bis denn Matthias

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